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Hochlandläufer mit Charakter

Eliud Kipchoge läuft wieder einmal Weltrekord in Berlin und nähert sich einer Schallmauer

Verdienter Lorbeer: Eliud Kipchoge Foto: ap

Von David Bieber

Er hat es wieder getan. Am gleichen Ort. Eliud Kipchoge hat in Berlin seinen Weltrekord nochmals verbessert. Vor vier Jahren, 2018, lief der Kenianer in Berlin 2:01:39 Stunden, am Sonntag unterbot der 37 Jahre alte Fabelläufer diese Marke nochmals um 30 Sekunden. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, wann Kipchoge die magische Schallmauer von zwei Stunden in einem offiziellen Rennen knackt. Bei zwei inoffiziellen Läufen in Wien und auf dem Formel 1-Rundkurs im italienischen Monza lief er bereits unter zwei Stunden.

Kipchoge trainiert in seiner ostafrikanischen Heimat im Hochland – in 2.500 Meter Höhe. Das macht viel aus. Die Kapazität von Sauerstoffaufnahme und -transport wird durch die verstärkte Produktion roter Blutkörperchen in der Höhe gesteigert. Überhaupt Training. Alles ist bei dem Kenianer aufs Training ausgerichtet. Nicht selten trainiert Kipchoge zweimal täglich – einmal morgens, einmal nachmittags. Und das seit vielen Jahren in immer hochkarätig besetzten Trainingsgruppen unter engmaschiger Betreuung seines langjährigen Trainers Patrick Sang, einem ehemaligen Olympiasieger im Hindernislauf. Im gesamten mehrmonatigen Trainingsblock etwa vor dem Berlin-Marathon 2018 findet sich nicht ein einziger Ruhetag. Nur Sonntags ließ er es ruhiger angehen und absolvierte nur eine lockere Einheit von rund 20 bis 22 Kilometer. In der Regel laufen ostafrikanische Spitzenathleten wie Kipchoge bis zu 220 Kilometer in der Woche.

Man muss sich das Trainingscamp im kenianischen Hochland als äußerst bescheiden und einfach gestaltet vorstellen. Alle Konzentration aufs Laufen, Ablenkungen sind zu vermeiden. Disziplin statt Luxus. Viele führen ein bescheidenes, fast schon spartanisches Leben. So auch Eliud Kipchoge, der längst Nationalheld in Kenia ist. Und Millionär – dank seiner zahlreichen Siege, Rekorde und hohen Antrittsprämien. Ein luxuriöses Leben, obwohl er es sich leisten könnte, führt er nicht. „Ich laufe, um Geschichte zu schreiben“, sagt er. Geld spielt demnach kaum eine Rolle im Leben des dreifachen Familienvaters.

Wie viele ostafrikanische Läufer lief auch Kipchoge früher täglich mehrere Kilometer zur Schule. Das prägte ihn. Schnell merkte er, dass seine Beine sein Kapital werden könnten. Die strenge Erziehung seiner alleinerziehenden Mutter, einer Grundschullehrerin, und die Tatsache, sich gegen vier ältere Geschwister behaupten zu müssen, formten ihn. Es ist nicht zuletzt diese mentale Stärke, die Kipchoge zum besten Marathonläufer gemacht hat. Er weiß, dass er der beste Marathonläufer der Welt ist, das treibt ihn zu immer neuen Rekorden an.

Die beste Taktik sei Training, und wer gut trainiert habe, solle Vertrauen in sich haben, sagte er einmal. Natürlich profitiert Kipchoge auch davon, dass er nie ernsthaft verletzt war in seiner bisherigen Karriere, die mit 16 Jahren so richtig Fahrt aufnahm. Auch nach Rückschlägen kam Eliud Kipchoge stets gestärkt zurück. Vor drei Jahren wackelte auf der schnellen Strecke durch Berlin sein Weltrekord. Kenenisa Bekele aus Äthiopien kam bis auf zwei Sekunden an Kipchoges Bestzeit heran. Ein Zeichen an den Ausnahmeläufer, dass man ihm auf den Fersen ist.

2021 wurde Eliud Kipchoge in Tokio Olympiasieger, zum zweiten Mal hintereinander. Nun hat er mit 37 Jahren, ein gutes Alter für Marathonläufer, wieder bewiesen, dass er in seiner eigenen Welt läuft.

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