entlastungspaket
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Trickreich zusammengerechnet

Was steckt alles in dem vollmundig verkündeten 65-Milliarden-Euro-Entlastungspaket? Das hat die Linke Heidi Reichinnek wissen wollen. Mit Verspätung hat sie jetzt eine Antwort vom Finanzministerium erhalten

Von Pascal Beucker

Die Ankündigung Anfang September war vollmundig. „Das dritte Entlastungspaket, das wir jetzt geschnürt haben, ist von seinem Umfang größer als die ersten beiden zusammen“, verkündete Bundeskanzler Scholz (SPD) nach einem 22-stündigen Sitzungsmarathon der Ampelkoalitionäre. „Es geht um 65 Milliarden Euro, wenn man alles zusammenrechnet.“ Das klingt nach verdammt viel. Aber wie kommt die Regierung auf diese enorme Summe? Das wollte die Linken-Abgeordnete Heidi Reichinnek vom Finanzministerium wissen. Nach wochenlangem Warten hat sie nun eine Antwort auf ihre schrift­liche Frage erhalten – deutlich später, als es die Regeln des Bundestags eigentlich vorsehen.

Die Aufstellung, die der Parlamentarische Staatsekretär Florian Toncar (FDP) Reichinnek geschickt hat und die auch der taz vorliegt, nähren Zweifel an der propagierten Wucht des Entlastungspakets zur Bekämpfung der dramatisch steigenden Lebenshaltungskosten. Denn offenkundig hat die Ampelkoalition es mit allen möglichen Posten, die ohnehin entweder schon im Koalitionsvertrag vereinbart waren oder turnusmäßig fällig sind, aufgebläht.

Ein Beispiel dafür ist die mit knapp 4,8 Milliarden Euro veranschlagte Erhöhung des jetzt „Bürgergeld“ genannten Hartz-IV-Regelsatzes. Auch der Ausgleich der kalten Progression, der mit 10,1 Milliarden Euro zu Buche schlägt, zählt dazu, ebenso die ohnehin anstehende Anhebung des Kindergelds. Die aufgrund von Urteilen des Bundesfinanzhofs aus dem vergangen Jahr erforderliche Gesetzesänderung zur Abschaffung der Doppelbesteuerung von Renten ist mit mehr als 2,9 Milliarden Euro ebenfalls eingerechnet.

Andere Posten im dritten Entlastungspaket können zumindest als trickreich bezeichnet werden. Das gilt zum Beispiel für die Reduzierung der Umsatzsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent, denn die soll ja nur eine Mehrbelastung, nämlich die Gasumlage, ausgleichen. Dazu gehört auch das Angebot an die Arbeitgeber, eine von ihnen zu zahlende einmalige Inflationsprämie an die Beschäftigten in Höhe von 3.000 Euro steuer- und abgabenfrei zu stellen. Interessant ist zum einen, dass das Finanzministerium nur von 5 Millionen Begünstigen ausgeht, obwohl es 34,3 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt. Es glaubt also offenkundig nicht daran, dass viele Unternehmen das Angebot annehmen werden. Zum anderen ist nicht wirklich seriös, den Verzicht auf Steuernahmen, die es ohne die Prämienzahlung gar nicht geben würde, als 1,2-Milliarden-Euro schwere Mindereinnahme aufzuführen.

Tatsächlich, so hat die Linke Reichinnek nachgerechnet, beläuft sich die außerplanmäßige Entlastung für die Bür­ge­r:in­nen nur auf knapp 30 Mil­liar­den Euro, wovon gerade 20,2 Milliarden vom Bund getragen würden. Und das bei zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen durch die gestiegene Inflation allein im ersten Halbjahr von rund 29 Milliarden Euro. „Das, was die Bundesregierung als ‚65 Milliarden-Entlastungsprogramm‘ verkauft, ist allenfalls eine Mogelpackung“, konstatiert Reichinnek.