„Postmoderne Gestalten“

betr.: „Ich denk mir mein Teil“ (2,5 Millionen Jahre nach dem ersten Auftreten des Homo habilis wird der Schöpfungsakt rückgängig gemacht) von Martin Reichert, taz.mag vom 18. 6. 05

Ich habe Judith Butler etwas anders verstanden! Ihr geht es nicht um das Auflösen von Identitäten, sondern um deren Öffnung. Die Annahme, dass alles verhandelbar ist, macht alles möglich. Diese Sichtweise entzieht der Norm einer dichotomen, heterosexuellen Geschlechtlichkeit ihre Macht, d.h. widerspricht der Annahme ihrer Natürlichkeit.

Ziel der Dekonstruktion von geschlechtlichen oder sexuellen Identitäten ist nicht ein hilfloses Taumeln im orientierungslosen Nichts, sondern das Verschwimmen der Grenzen zwischen den verschiedenen – allgemein anerkannten – Identitäten. In diesem Prozess(und nur in diesem) sind dann auch Kategorien wie „schwul“ und „lesbisch“ der Dekonstruktion unterworfen. Schließlich stellen sie in gewisser Hinsicht auch eine Norm da, die die Individuen, die sich ihr zugehörig zeigen/fühlen eingrenzt. Warum sollten „postmoderne Gestalten“ sinnentleert sein? Besteht der Sinn einer Existenz in ihrer strikten Einordnung in ausschließende Kategorien?

INGA NÜTHEN, Berlin