wortwechsel
: Von Mobilität und Marktgesetzen

Das 9-Euro-Ticket überzeugte mit positiver Klimabilanz und sozialer Gerechtigkeit, Nachfolge-Tickets werden eher teurer. Akteure auf Energiemärkten scheffeln „Übergewinn“

Ticket für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit  Foto: Florian Boillot

Zum Verzweifeln

„Pinochets Erbe“, taz vom 5. 9. 22

Die neue Verfassung Chiles, die man wohl als die fortschrittlichste der Welt bezeichnen hätte können, ist nach dem Referendum erst einmal gescheitert. Sie hätte vermutlich vielfach ausgestrahlt. Es ist zum Verzweifeln. Entscheidende progressive Ansätze werden entweder durch autoritäre Regime mit Repression und (blutiger) Gewalt unterdrückt (siehe Volksaufstände im Arabischen Frühling, in Myanmar und Weißrussland ) oder sie werden – wie in (westlichen) Demokratien eher die Regel – durch die Macht des Geldes und durch Meinungsmanipulation mit vielfacher Hilfe der Medien verhindert, die sich meist in Besitz weniger Reicher befinden. Meine große Anerkennung gilt alle, die sich mit Leidenschaft dafür eingesetzt haben, dass Chile, nach seiner bitteren Geschichte unter Pinochet und dessen langen Nachwehen ein bessere Zukunft hat. Dieter Lehmkuhl, Berlin

Märkte

„Gaskraftwerke prägen den Strompreis“,

taz vom 30. 8. 22

Wer diese Worte benutzt „Gasmarkt“,“ Strommarkt“, „Strombörse“, „Wohnungsmarkt“ oder „Getreidebörse“ macht deutlich, um was es sich handelt: neoliberale Konstrukte, die nur der Gewinnmaximierung dienen. Bernward Janzig beschriebt das Verfahren mit den Äpfeln sehr anschaulich. Auch weißt er auf den komplet liberalisierten Markt hin. Wie war es denn vor der Liberalsierung? Ob die Politik überhaupt noch dieses Modell kennt?

Roland Schüler, Köln

„Übergewinn“

„Gaskraftwerke prägen den Strompreis“,

taz vom 30. 8. 22

Schönes Beispiel, aber es fehlen zwei wesentliche Hinweise, um die Absurdität und kapitalistische Denkweise zu verdeutlichen, die uns kaputt macht. Erstens: Warum steigen die Verkaufspreise, wenn die Nachfrage steigt und Angebot und Einkaufspreise gleich bleiben? Das steht zwar in jedem Lehrbuch, aber es ist kein Naturgesetz. Der Grund ist die Aussicht auf mehr Gewinn für den Verkäufer! Das würde ich „Übergewinn“ nennen. Zweitens: Die 10 Äpfel werden zum hohen Preis des 11. verkauft und bescheren den 10 Verkäufern (die nichts dafür getan haben) diesen „Übergewinn“. Sie lachen sich schlapp, hauen sich auf die Schenkel und gehen erst mal fein essen. Läuft.

Manfred Stengel, Hamburg

Geschmäckle

„Aus anderer Perspektive“,

taz vom 28. 8. 22

Es ist natürlich gut, die verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, aber die Lösung dieses Konflikts wird uns einfach aufs Auge gedrückt werden, da kann man debattieren und offene Briefe schreiben, wie man will: Die russischen Schlächter sind weder kompromiss- noch gesprächsbereit. Die baltischen Staaten und Polen haben das verstanden. Das sehe ich genauso wie die Autor*innen. Viele Deutsche machen sich da etwas vor. In Deutschland ist es so, als wolle man der Gewalt nicht ins Auge sehen, was den Dialog mit Polen erschwert. Jetzt, wo Polens territoriale Integrität durch Russland bedroht ist, nimmt Polen Flüchtlinge auf. Ja, das ist dringlich, aber das hat auch ein menschenverachtendes Geschmäckle in Bezug auf Flüchtlinge aus Syrien, wo auch Putin sein Unwesen treibt.

Sabine Sabranski, Berlin

Ökoliberal

„Zu viel Gemecker“, taz vom 6. 9. 22

Als Liberaler blättere ich gerne mal die taz durch und möchte Frau Mertins herzlich, herzlich für ihren Kommentar danken. 49 Euro sind fast dran am 365-Euro-Ticket. Und vor allem: Unsere gemeinsame Koalition hat mit einem einheitlichen Ticket für ganz Deutschland gezeigt, wie Reform, ach Quatsch, wie Revolution geht! Mich erinnert das ein bisschen an den Mauerfall: Wer hätte im Sommer 1989 gedacht, dass die Mauer im November Geschichte ist? Genauso wenige, wie Anfang des Jahres daran geglaubt hätten, dass mit einem digitalen Ticket die gesamte, völlig verkrustete Tarifstruktur im öffentlichen Verkehr spurlos in sich zusammenfallen kann. Davon können, sollten! wir Liberale und Ökos mehr produzieren. Dann bin ich auch gerne ein Ökoliberaler.

Henrik Sander, Hamburg

Sozialmaßnahme

„Wahnsinnig komplexe Situation“,

taz vom 29. 8. 22

Gerade wird viel über das 9-Euro-Ticket und dessen Verlängerung diskutiert. Während die breite Mehrheit in Deutschland für die Weiterführung der sozielen Maßnahme ist, weigern sich Lindner und seine Partei aus Prinzip, das Ticket zu verlängern. Die „Gratismentalität“ eines so günstigen ÖPNV tut Deutschland – laut Lindner – nicht gut und sei auf Dauer nicht bezahlbar. Deswegen haben die Grünen unter der Schirmherrschaft von Ricarda Lang ein 29- beziehungsweise 49-Euro-Ticket vorgeschlagen, das alle Probleme beseitigen soll. Doch der soziale Aspekt geht verloren. Das 9-Euro-Ticket war nie als Klimamaßnahme – auch wenn es dennoch dabei hilft – geplant, sondern als Sozialmaßnahme. 9 Euro im Monat kann jeder aufbringen, egal wie es um den wirtschaftlichen Wohlstand steht. Auf 29 oder gar 49 Euro trifft das nicht mehr zu. Luca Barakat, Marquartstein

Innerdeutsche Grenzen

„Zu viel Gemecker“, taz vom 6. 9. 22

In manchem stimme ich Frau Mertins zu. 49 Euro sind sicher besser als 89, aber wie heißt der Spruch? „Kein Gesetz kommt aus dem Bundestag heraus, wie es hineingeht. Also müssen erst die 29 Euro gefordert werden, um die 49 zu erreichen. Die Hauptsache bleibt jedoch die Gültigkeit für die gesamte Bundesrepublik, um weitere Diskussionen um „innerdeutsche Grenzen“ zu verhindern.

Hartmut Krollmann, Düsseldorf

Erfolg?

„Komm bald wieder!“, taz vom 31. 8. 22

Das 9-Euro-Ticket erbrachte eine hohe Nachfrage; wie zu erwarten bei billig Geld. Die andere Seite jedoch fällt in den Medien und bei der „Ampel“ gerne unter den Tisch: überfüllte Züge, die deswegen auch nicht pünktlich abfahren konnten, Menschen, die mit Fahrrad draußen bleiben mussten, ältere oder behinderte Menschen, die keinen Platz bekamen. Das Infektions- und Unfallrisiko, das sich durch Ansammlungen von Menschen erhöhte, war wie weggewischt.

Rolf Dombrowsky, Dortmund

Tempolimit

„Klage gegen Wissing-Plan“,

taz vom 5. 9. 22

Mich graust es jedes Mal, wenn ich lese, wie deutsche Verkehrsminister lässig und abgebrüht ein Tempolimit ablehnen. Soweit ich weiß, ist es längst nachgewiesen, dass ein Tempolimit Menschenleben auf deutschen Straßen retten würde. Und auch Verkehrsminister schwören in ihrem Amtseid, dass sie „Schaden vom deutschen Volk abwenden werden“. Was gibt es denn für einen größeren Schaden als Menschenleben? Und wie kann es sein, dass dieses Nicht-Tun juristisch haltbar ist? Thomas Maier, Seitzenhahn

Politikum

„Die Rad-Megacity“,

taz vom 30. 8. 22

Der Bericht unterstreicht, was viele aus eigener Erfahrung kennen: Die Planung des Verkehrskonzeptes ist ein Politikum und die Wahrnehmung der Möglichkeiten auch oft eng an echten Vorbildern orientiert. Die Helm-Abstinenz in NL halte ich für einen Anachronismus, weisen umfangreichere Statistiken und multivariate Analysen doch aus, dass „Eigenunfälle“, aber auch Kollisionen zwischen Rad­le­r:in­nen und mit Fuß­gän­ge­r:in­nen in den Niederlanden häufig sind. Bagatellen werden dabei kaum amtlich erfasst.

Martin Rees, Dortmund