Viel Lob, wenig Tadel für den Thatcher im Anzug

Für seine unnachgiebige Haltung beim EU-Finanzstreit bekommt Tony Blair Anerkennung von der britschen Boulevardpresse und den Tories

DUBLIN taz ■ Natürlich hat der britische Premierminister Tony Blair für seine Unnachgiebigkeit in Sachen EU-Budget zu Hause Applaus bekommen. Vor allem von den konservativen Tories. Es war eine der harmonischsten parlamentarischen Fragestunden nach einem EU-Gipfel, lobte Tory-Chef Michael Howard. Es gebe „mehr Punkte als sonst, bei denen wir mit der Regierung übereinstimmen“, sagte er. Howard warf Blair lediglich vor, dass er zwei Jahre damit vergeudet habe, die Briten über die Vorzüge der Verfassung zu belehren, anstatt gleich auf ein dezentralisiertes Europa hinzuarbeiten.

Die britischen Europagegner weisen süffisant darauf hin, dass der britisch-französische Zwist die älteste Rivalität der Welt sei: Sie gehe bis auf den Hundertjährigen Krieg zurück. Selbst der Guardian bedient sich einer Kriegssprache. Der Berlin-Korrespondent Rob Hyde schreibt, Blair habe mit seinem Interview in der Bild-Zeitung die „Schlacht um das EU-Budget ins Herz des Feindeslandes“ getragen. Und Bild, so berichtet Hyde, stimme mit dem Premierminister überein.

Das tun die Boulevardblätter in Großbritannien auch. Trevor Kavanagh, politischer Redakteur des Revolverblatts Sun, lobt Blair für seinen Streit mit Chirac und frohlockt, dass sich Blair nun als „hundertprozentiger Euroskeptiker“ entpuppt habe – eine Art „Thatcher im Anzug“.

Der politische Kommentator Simon Carr ist kritischer. „Blair leuchtet in seinem langsamen Niedergang heller denn je – wie ein Stern, bevor er abstirbt“, sagt er. Auch der Independent geht hart mit dem Premierminister ins Gericht. Unter der Überschrift „Ersparen Sie uns den scheinheiligen Müll, Herr Blair“ kommentiert John Lichfield: „Blair hat es vermasselt, weil er innenpolitisch schwach ist. Es war einfacher, der britischen Öffentlichkeit – die immer dafür zu haben ist, ein wenig auf die Franzosen und die EU einzudreschen – nach dem Munde zu reden, als ein taktisches Zugeständnis zugunsten eines möglicherweise großen strategischen Vorteils zu machen.“ Blair hätte seine EU-Präsidentschaft dazu nutzen können, den anderen EU-Mitgliedern seine Vorstellungen von einem deregulierten, sozial verantwortungsbewussten, innovativen Europa zu verkaufen, sagt Lichfield. Stattdessen habe er eine neue Krise heraufbeschworen. Er habe die Rückzahlungen aus dem EU-Topf zu einer heiligen Kuh gemacht, weil die Boulevardpresse sowie der Schatzkanzler und designierte Blair-Nachfolger Gordon Brown nur darauf gewartet haben, dass er in diesem Punkt nachgibt.

Geoff Hoon, das proeuropäischste Kabinettsmitglied, warnte, dass die Europagegner überall auf dem Vormarsch seien und ihre Offensive verstärken würden, falls man nichts Dramatisches dagegen unternehme. John Lichfield meint dazu: „In Wahrheit kann nichts Vernünftiges passieren, das die EU vorwärts bringt, bis diese Generation von ängstlichen, kurzsichtigen Regierungschefs in zwei Jahren die Bühne verlassen hat. Das schließt Chirac und Schröder ein. Und Tony Blair.“

Ralf Sotscheck