Menschenhandel: Opferschutz nötig

Arbeit Das Berliner Pilotprojekt zu Menschenhandel und Aubeutung geht zu Ende. Die Probleme sind allerdings noch lange nicht gelöst – der DGB etwa fordert ein Zeugenschutzprogramm für Betroffene

„Deutsche Unternehmen profitieren von dem System“

Doro Zinke, Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg

Sie arbeiten auf Baustellen, im Gastgewerbe oder in Privathaushalten: ausländische Arbeitskräfte, die oft mit falschen Versprechungen über die Art der Arbeit und die Höhe des Lohns nach Deutschland gelockt und hier ausgebeutet werden. Manche ganz ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen, manche würden zur Einschüchterung im Glauben gelassen, dass sie „Illegale“ seien, sagt Doro Zinke, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Berlin-Brandenburg. Zwar stünden bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte oft „ausländische Subsubsubunternehmen am Ende der Kette“, so Zinke. Sie seien aber „nicht die einzigen Schuldigen“: „Deutsche Unternehmen profitieren von dem System.“

Drei Jahre lang hat das „Berliner Bündnis gegen Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung“ (BBGM) die Strukturen dieses Ausbeutungssystems erforscht und versucht, dabei alle nötigen Akteure wie Polizei und Justiz, Ausländer- und Finanzbehörden an den Tisch zu bekommen, um Lösungen für die Betroffenen zu entwickeln. Die dabei entstandenen Empfehlungen wurden am Montag bei der Abschlussveranstaltung des BBGM von Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) und DGB-Landeschefin Zinke vorgestellt.

Beratungs- und Informationsangebote für die Arbeitskräfte nannte Kolat an erster Stelle. „Seit unsere Arbeit bekannter wird, kommen uns immer mehr Fälle zu Ohren“, ergänzt Doro Zinke – etwa auf der Flughafen-Großbaustelle, „wo wir vor zweieinhalb Jahren noch von keinem Fall von Menschenhandel zur Ausbeutung wussten“, so Zinke. Jetzt seien es „Dutzende“. Ein Flyer, den das BBGM erstellt hat, informiert Betroffene in 15 Sprachen über ihre Rechte und Beratungsstellen für Menschen ohne Papiere. Ein Schulungshandbuch des Projekts richtet sich an alle, die mit betroffenen Arbeitskräften in Kontakt kommen: etwa Behörden oder andere Beratungsstellen.

Schnell abgeschoben

Beziffern lässt sich die Gesamtzahl der Fälle von Menschenhandel zur Ausbeutung nicht – auch, weil die Fälle selten vor Gericht kommen. „Dabei haben selbst illegale Arbeitskräfte Rechte“, so Zinke: Doch wenn sie diese wahrnehmen wollten, würden sie bei illegalem Aufenthalt oft „schneller abgeschoben, als sie gucken können“. Ein Zeugenschutzprogramm für Opfer ist deshalb die zweite große Forderung des Projekts.

Der Senat unterstütze die Forderungen und finanziere bereits zwei Beratungsstellen speziell für Wanderarbeiter und ausländische Arbeitskräfte, so Senatorin Kolat: „Wir wollen, dass Berlin einen guten Ruf für gute Arbeit hat.“ Die Stadt sei auf die Zuwanderung von Fachkräften angewiesen.

Unternehmen selbst beteiligten sich an dem von der Senatsarbeitsverwaltung, dem DGB und den Internationalen Organisationen für Arbeit (ILO) und Migration (IMO) nicht: Die Bekämpfung von Menschenhandel und Ausbeutung werde von ihnen „nicht unmittelbar als Aufgabe angesehen“, sagt Zinke vorsichtig. AKW