Möhren, Orgien und Roger Rabbit

Angefangen hat er in Andy Warhols Factory, in den wilden 1980iger Jahren grub er sich in Paris ein. Heute gehört er zu den Stil bildenden Malern der USA, obwohl er in allen kunsthistorischen Stilen gewildert hat. Die Kunsthalle in Bielefeld widmet George Condo eine thematische Retrospektive

AUS BIELEFELD PETER ORTMANN

Mit Augen voller Schrecken und stumm schreienden Mündern stürzen Frauen rückwärts in ein helles Nebelmeer aus Bruchstücken. Ihre Gesichter haben nur noch vage menschliche Züge, scheinen comichaft überzeichnet. Als die Zwillingstürme 2001 in New York zusammenfielen, ging der amerikanische Maler George Condo in sein Atelier und verwandelte den Schrecken in Bilder. Zwei davon sind noch bis Mitte August in der Bielefelder Kunsthalle zu sehen. Aber nicht leicht unter den „One Hundred Women“ zu finden.

Das ist der Titel seiner thematischen Retrospektive, die 52 Gemälde und 24 Zeichnungen auf zwei Stockwerken zeigt. Condo ist ein Maler durch und durch. Er könne in Farbe ersticken, sagte er einmal. Er könne sie genausogut essen oder trinken. Aufmerksam wurden die Galeristen auf den 1957 geboren Künstler in den 1980ger Jahren, als Kunstwerke zu Aktien wurden, als ihnen in den USA realistische Bilder von jedermann aus den Händen gerissen wurden und bei Ausstellungen mit Malern wie Keith Haring, Kenny Scharf, Jeff Koons oder Jean-Michel Basquiat Rotpunkt-Orgien am Eröffnungstag an der Tagesordnung waren. Condo verließ damals die Staaten, vergrub sich in Paris und entwickelte seine Stilleben der Stile, indem er kunsthistorische Schubladen der Vergangenheit und Gegenwart so zusammenschüttete, bis er selbst in keine mehr hineinpasste. Frauenportraits durchziehen sein Sujet mittlerweile zwanzig Jahre. Oft erinnert Malweise und Bildaufbau an Portraitbilder alter Meister, doch Condos surrealistische Gesichter adaptierten früher Comic-Serien, heute erinnern sie eher an Hopper oder Modigliani. Er zappt weiter durch alle Stile der Malerei und transformiert sie in echte Condos. Besonders Picassos Haltung hat ihn beeindruckt. Der sei ein Zauberer gewesen, habe alles in Picasso verwandelt. „Ich musste mich ihm stellen, um zur Tradition zurückzukehren“, sagt der Maler für Maler.

In Bielefeld steht er zwischen seinen Werken, sieht im schwarzen Anzug ein bischen wie John Travolta aus und signiert Kataloge der „One hundred Women“. Nach Picasso und Matisse hat kein Künstler des 20. Jahrhunderts so ausgiebig zum Thema Frau gearbeitet.

Bis 14. August 2005