ausgewahrzeichnet: Warum Bremerhaven kein Disney-Schiff braucht
Sie haben ja Erfahrung mit Wahrzeichen, die im Meer versinken, hier in Bremerhaven. Gerade ist es der seit langem marode Leuchtturm an der Geestemündung. 2019 war es der ebenfalls seit Jahren rotte Traditionssegler „Seute Deern“, der dann abgewrackt wurde.
Der erste Impuls der örtlichen Politik ist dann stets der Wiederaufbau, also: „1:1“. So ist es jetzt beim Leuchtturm, so war es seinerzeit bei dem schifffahrtshistorisch eher bedeutungslosen Dreimaster aus Holz. Im Falle der „Seute Deern“ war so ein Nachbau aber wirklich viel zu teuer. Deswegen hat man sich, dank der gut vernetzten Bremerhavener SPD, darauf geeinigt, mit nur 46 Steuermilliönchen ein Segelschiff nachzubauen, das nie segeln können wird und einem 1888 immerhin in Bremerhaven gebauten Stahldreimaster „nachempfunden“ ist: die 1917 gesunkene „Najade“. Eine Art Disney-Schiff also.
Der Bundesrechnungshof in Bonn hat jetzt erklärt, dass es nicht sinnvoll ist, das viele Geld „um jeden Preis zu verausgaben, insbesondere dann nicht, wenn der eigentliche Förderzweck“ – also die „Seute Deern“ – „wie in diesem Fall, weggefallen ist“. Im Bundestag, vor allem aber in Bremerhaven, hält man indes eisern an dem Projekt fest. Auch wenn der Bundesrechnungshof erklärt, dass der Bund gar kein Interesse haben kann an so einem halbgaren Nachbau.
Die „Peking“ ist schon da – in Hamburg
Denn es gibt bereits ein mit ähnlich viel Geld fürs Museum gerettetes Stahlschiff aus der Epoche der Frachtsegler, die zurecht deutlich berühmtere „Peking“, die immerhin nur restauriert werden musste. Aber die liegt halt in Hamburg. Das kann in Bremerhaven natürlich kein Argument sein. Die „Najade“: überflüssig? Ein dort eher empörender Gedanke, noch dazu aus Bonn. Sollen die Hamburger halt ihre „Peking“ hergeben, könnte man jetzt sagen, aber das ist dort freilich völlig indiskutabel, und natürlich wird auch die Peking mittlerweile als „Wahrzeichen“ verhandelt, nur halt in Hamburg.
Bremerhaven braucht dieses Imitat der „Najade“ nicht. Es hat schon einen Ersatz. Einen, der für Schifffahrtslai:innen – also, ehrlich gesagt: die meisten Menschen – eh ähnlich aussieht. Es ist die „Deutschland“, auch ein Dreimaster. Der zog im vergangenen Jahr aus Bremen-Nord fort, wo man sich ähnlich wie in Bremerhaven chronisch diskriminiert oder zumindest von der Welt vergessen fühlt, manchmal auch zurecht. In Bremerhaven erhoffte sich die „Deutschland“ deutlich mehr Besucher:innen.
Museum überzeugt Nachbau auch nicht
Nicht mal das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM), dem die „Seute Deern“ gehörte, und das noch mehr marode Schiffe besitzt, für deren Erhalt es kein Geld hat, also nicht mal im DSM ist man so richtig von der „Najade“-Idee überzeugt. „Es stellt sich die Frage, ob ein nachgebautes Schiff diese Symbolkraft entwickeln kann, die ein Originalschiff hat“, sagt die Direktorin. Natürlich ist das eine rhetorische Frage. Darüber denkt die sozialdemokratische Stadtpolitik aber nicht so gern nach. Und außerdem sei das DSM ja bis heute eher eine „Museumsruine“, sagte dessen Direktorin dann noch. Was nutzt da ein Prunkschiff vor der Tür?
Der Bremer FDP-Bundestagsabgeordnete Volker Redder und die Bremer Linksfraktion im Parlament fordern nun, dass der Bund das viele Geld für die Sanierung des Museums ausgeben soll, zumal auch der jährliche Unterhalt der „Najade“ noch nicht bedacht, geschweige denn finanziert ist. Und so viel Einigkeit dieser beiden Parteien sollte wirklich stutzig machen. Sogar in Bremerhaven. Jan Zier
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