Zwölf Variationen von Ente mit Knödeln

FREE JAZZ In der Musikdokumentation „Aber das Wort Hund bellt ja nicht“, die heute im Arsenal gezeigt wird, lässt Regisseur Bernd Schoch das freie Spiel des Schlippenbach Trios in strengen Bildern atmen

Eine sperrige Kunstform. Wenn die Sache aber gut geht, sieht und hört man hinterher anders

Musik erklärt man bisweilen am besten mit Musik. Worte können helfen, müssen aber nicht. Dasselbe gilt für Bilder. Ein Musikfilm hat immer mit der Schwierigkeit zu kämpfen, dass seine Bilder Gefahr laufen, völlig überflüssig zu sein oder in der einen oder anderen Form von der Musik abzulenken. Wenn die Sache aber gut geht, sieht und hört man hinterher anders.

Bernd Schochs Dokumentation „Aber das Wort Hund bellt ja nicht“ ist so ein Glücksfall. Der 1971 geborene Filmemacher, zudem künstlerischer Mitarbeiter an der Hamburger Hochschule für bildende Künste, hat sich dabei eine alles andere als einfache Aufgabe gestellt. Sein Film handelt von Free Jazz, einer eher sperrigen Kunstform. Ein weiteres Hindernis: Die von ihm begleiteten Musiker, das Schlippenbach Trio, eine seit 40 Jahren aktive Institution des europäischen Free Jazz, tun auf der Bühne nichts anderes, als konzentriert zu spielen.

Schoch wählt in seinem knapp 50 Minuten langen Film eine elegante Lösung. Er zeigt die Musiker beim Spielen. Dazu reduziert er die Bildausschnitte konsequent und zeigt wenig mehr als Hände und Köpfe, einen Musiker nach dem anderen.

Über vier Jahre hinweg hat Schoch das Trio auf seiner jährlichen „Winterreise“ gefilmt, bei der es regelmäßig im Jazzclub Karlsruhe gastiert. Insgesamt vier Konzerte sind zu sehen, bei den ersten drei Auftritten ist immer nur ein Musiker im Bild. Erst in der letzten Szene findet das Trio zusammen.

Die Beschränkung auf individuelle Spieler bietet sich an, da es sich beim Schlippenbach Trio um drei markante Musikerpersönlichkeiten handelt. Der Pianist Alexander von Schlippenbach ist einer der prägenden deutschen Jazzmusiker und hat mit seinen Projekten, darunter dem Globe Unity Orchestra, den europäischen Free Jazz entscheidend mitgestaltet. Evan Parker ist einer der wichtigsten britischen Saxofonisten, der in seinem Spiel dank Zirkuläratmung minutenlange Phrasen bilden kann, ohne abzusetzen. Der Schlagzeuger Paul Lovens schließlich entwickelte sich durch seinen experimentellen Stil, bei dem er die Klangfarben des Schlagzeugs kontinuierlich erweiterte, zu einem der führenden Improvisatoren des Kontinents.

In den Einzelaufnahmen konzentriert sich nicht nur die Kamera auf den gezeigten Spieler, auch das Mikrofon ist erst näher am Schlagzeug, dann am Saxofon und schließlich am Klavier. Man sieht keinesfalls bloß Hände in Bewegung, immer wieder ist zu beobachten, wie gewartet und den Kollegen zugehört wird. Die Bilder lenken in ihrer Strenge so auch die Aufmerksamkeit auf das Wechselspiel der Trio-Mitglieder untereinander.

Zwischen den Konzerten kommen die drei Musiker – erneut jeder für sich und stets aus dem Off – zu Wort. Evan Parker beschreibt, wie wichtig es ist, auf Bekanntes zurückzugreifen, um etwas Unbekanntes zu erreichen, während Paul Lovens trocken feststellt, man würde „sowieso spielen, bis es nicht mehr geht“. Etwas anderes bliebe ihnen gar nicht übrig.

Besonders schön sind Alexander von Schlippenbachs Ausführungen über die mit den Jahrzehnten ausgebildeten Rituale. Dazu gehört nicht nur, während der zwölf Tage dauernden „Winterreise“ keine Konzertpause einzulegen, das bringe „das System völlig durcheinander“. Teil von Schlippenbachs System ist auch ein großes Mittagessen. Sein Favorit: Ente mit Knödeln und Rotkohl. „Einmal habe ich nur Ente gegessen, jeden Tag. Immer verschieden. Du glaubst nicht, wie verschieden man Ente mit Knödeln machen kann.“ Oder eben als Free Jazz-Trio improvisieren. TIM CASPAR BOEHME

■ „Aber das Wort Hund bellt ja nicht“. Regie: Bernd Schoch. Dokumentarfilm, Deutschland 2011, 48 Min. Heute, 20 Uhr, Arsenal, hinterher Diskussion mit Bernd Schoch und Alexander von Schlippenbach