Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Mit dem Wort „Istanbul“ lässt sich seit geraumer Zeit Feuchte in die Augen vieler KulturproduzentInnen treiben. „So lebendig“, „so anders“, „so schön, aber nicht nur“ quillt es einem dann oft entgegen. Der Berliner Senat vergibt bereits seit 1988 sechsmonatige Stipendien an den Bosporus, mit, wer hätte es anders erwartet, sehr unterschiedlichen Ergebnissen, wie man zurzeit sehen kann. Denn im Kunstraum Kreuzberg zeigen 24 StipendiatInnen, die seit 1998 in Istanbul waren, ihre Werke. Neben Katja Eydels Produktionsskizzen, die eine Idee von dem Alltagsleben einer Kunstproduzentin und den Nerv mit Behörden erahnen lassen, schafft Florian Zeyfang ein komplexes Bild politischen Volksbegehrens. Viele Werke bleiben aber leider kryptisch oder legen die Verbindung zu Istanbul nicht wirklich offen. Sie erscheinen wie Projektion, eine, auf die Erik Göngrich mit seiner Werbewand abzielt. Eine Zeichnung der Urbanlandschaft Istanbuls zeigt er – gleich so, als könne man sie gleich aus der Ausstellung heraus ausmalen. Um Fiktion und Realität in Istanbul geht es auch Esra Ersen bei Tanas. Die in Berlin und Istanbul lebende Künstlerin zeigt unter vier Werken die in Kooperation mit Tanas entstandene Sozioskulptur „Reisende“. Ersen lud dazu eine Reihe von Frauen, die bereits seit mehr als 30 Jahren in Istanbul lebten, aber noch nie ihren Bezirk verlassen hatten, zu einer Fahrt an den Bosporus ein. Durch ein Meer von roten Fahnen und Wahlkampfparolen, es herrschte zu der Zeit Vorwahlkampf in Istanbul, begleitet sie die Frauen und ihre Familie an den Ort der Projektion, an den Nabel zwischen Orient und Okzident, der allerdings grau und dreckig und so gar nicht traumhaft erscheint. Wohl aber die Fahnenmeere der Politiker. Eine wunderbare Doppelprojektion, die nahezu ohne Worte auskommt und Istanbul jenseits der bekannten Klischees zeigt.

■ Berliner Istanbul-Stipendiaten 1998–2009, bis 4. Oktober, tgl. 12–19 Uhr, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Mariannenplatz 2

■ Esra Ersen: Passengers, bis 28. November, Di.–Sa. 11–18 Uhr, Tanas, Heidestr. 50