Union braucht Geld für ihre Pläne

Höhere Mehrwertsteuer nach einem Wahlsieg der Union scheint beschlossene Sache

BERLIN taz ■ Die Union hat die Erhöhung der Mehrwertsteuer für den Fall ihres Wahlsiegs am 18. September offensichtlich bereits fest eingeplant. „Nach übereinstimmender Einschätzung von CDU-Spitzenpolitikern“ solle dazu vor der Wahl eine Aussage getroffen werden, berichtete gestern die dpa. Um wie viel der Regelsatz der Mehrwertsteuer von heute 16 Prozent angehoben werde, will die Union demnach aber bis nach der Bundestagswahl offen lassen.

Während Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) höhere Steuern als „Gift für die Konjunktur“ bezeichnete, sagte sein Sozialminister Karl Josef Laumann (CDU) gestern, mit den CDU-Sozialausschüssen könne man über die Anhebung der Mehrwertsteuer reden. Der designierte Chef des Arbeitnehmerflügels der Union nannte als Voraussetzung, dass die höhere Steuer verwendet werden, um die Senkung der Lohnnebenkosten zu finanzieren. Auch der bayerische Landtagspräsident Alois Glück (CSU) sprach sich gestern in dieser Richtung aus: „Ich halte es für völlig falsch, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu tabuisieren.“

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 1 Prozent würde etwa 8 Milliarden Euro in die Staatskassen bringen. Ungefähr diesen Betrag braucht die Union nach eigenen Berechnungen, um den geplanten Systemwechsel in der Sozialversicherung zu finanzieren: Um die Lohnnebenkosten für die Unternehmen zu senken, soll in der Krankenversicherung eine von den Beschäftigten zu bezahlende pauschale Gesundheitsprämie eingeführt werden, die 7 Prozent des jeweiligen Einkommens nicht übersteigt. Wer zu wenig verdient, bekommt einen Zuschuss aus Steuermitteln. Angesichts der gegenwärtigen Defizite in den öffentlichen Kassen braucht die Union dafür dann Mehreinnahmen bei der Steuer – etwa eine höhere Mehrwertsteuer.

Der Bremer Ökonomieprofessor Rudolf Hickel kritisierte gestern eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Einerseits belaste sie die unteren Einkommensschichten überproportional, weil diese den größten Teil ihres Geldes für die teureren Waren des täglichen Bedarfs abgäben. Die zurückgehende Konsum schädige andererseits das Handwerk, den Einzelhandel und andere auf den einheimischen Markt ausgerichtete Unternehmen. Die durch die Senkung der Lohnnebenkosten geförderten exportorientierten Unternehmen hätten diese Erleichterung gar nicht nötig, argumentiert Hickel. Wie der hohe Exportüberschuss zeige, sei die deutsche Wirtschaft schon heute sehr wettbewerbsfähig.

Den Ansatz, die soziale Sicherung über Steuern zu finanzieren, hat schon Rot-Grün in den vergangenen sieben Jahren praktiziert. Mit der Einführung der Ökosteuer haben SPD und Grüne die indirekten Steuern erhöht, um die Lohnnebenkosten stabil zu halten. Der größte Teil der Ökosteuer wird für die Alterssicherung verwendet.

Um eine weitere Erhöhung der Steuereinnahmen zu ermöglichen, will die Union Ausnahmen und Subventionen reduzieren. Zur Diskussion stehen hier die Feiertags- und Nachtzuschläge für Beschäftigte, die Eigenheimzulage, die Entfernungspauschale für Pendler und andere Posten. Es gilt als zumindest wahrscheinlich, dass auch die Zuschläge für Beschäftigte gekürzt werden. Ob diese Maßnahmen freilich ausreichen, um die von der Union in Aussicht gestellte Konsolidierung der Haushalte und die gleichzeitige Reduzierung der Einkommens- und Gewinnsteuern zu finanzieren, ist mehr als fraglich.

HANNES KOCH

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