Kohle bedroht Naturwunder

GREAT BARRIER REEF Klimawandel und Industrialisierung gefährden das Korallenriff vor der australischen Küste. Doch eine Warnung der Unesco sieht die Regierung gelassen: Sie setzt weiter auf Kohleexport

Ohne Gegenmaßnahmen könnte das Riff schon 2050 mehrheitlich abgestorben sein

CANBERRA taz | Der weitere Ausbau der Industrie und geplante Häfen an der Küsten von Ostaustralien würden schwerwiegende Konsequenzen für Umwelt und Natur am Great Barrier Reef haben. Davor warnt die UN-Kulturorganisation Unesco in einem aktuellen Bericht – und droht damit, das UNO-Weltnaturerbe als „gefährdet“ einzustufen. Die australische Regierung müsse ihre Strategie zur industriellen Entwicklung der ostaustralischen Küste neu formulieren. Die Warnung kommt nach dem jüngsten Besuch einer Unesco-Delegation in Australien.

Mit 2.300 Kilometer Länge und einer Fläche von rund 345.000 Quadratkilometern ist das Great Barrier Reef das größte Korallenriff der Welt und eine der bedeutendsten Touristenattraktionen Australiens. Bereits 1981 war es in das Register der Weltnaturgüter der Vereinten Nationen aufgenommen worden. Doch die Folgen des Klimawandels – allem voran Temperaturerhöhung und Übersäuerung des Wassers – machen dem Riff stark zu schaffen. Vielerorts stellen Forscher die großflächige Ausbleichung von Korallen fest. Wo sich noch vor wenigen Jahren Taucher an einer farbigen Unterwasserwelt erfreuen konnten, finden sie heute grauweißen Korallenschutt. Einigen Experten zufolge wird das Great Barrier Reef schon im Jahr 2050 mehrheitlich abgestorben sein, wenn nicht sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Die australische Rohstoffförderung, die aufgrund des starken Wachstums in vielen Ländern Asiens stark angestiegen ist, ist zumindest indirekt ein weiterer Grund für die negative Entwicklung. Australien ist der größte Kohleexporteur der Welt; im Hinterland von Queensland befinden sich riesige Kohlefelder. Hunderte von Millionen Tonnen des in Asien begehrten Brennstoffs werden abgebaut und über Häfen an der Küste verschifft. Außerdem baut Queensland seit ein paar Jahren eine Erdgasindustrie auf, die laut Analysten dereinst gemessen an der Produktion die des Golfstaates Katar übertrumpfen werde.

Um die steigenden Mengen an fossilen Ressourcen verschiffen zu können, sind an der Küste mehrere neue Verladehäfen im Bau oder geplant. Umweltorganisationen klagen, dass durch das Ausbaggern des Meeresbodens, etwa im Hafen der Stadt Gladstone, wichtige Brutplätze für Fische verloren gehen und Meeressäuger wie Seekühe und Delphine ihre Lebensgrundlage verlieren. Außerdem würden Schwermetalle aufgewühlt, die laut Kritikern bereits zu einem Fischsterben geführt hätten. Mit der wachsenden Zahl von Kohlefrachtern, die durch das Riff fahren, steigt zudem die Gefahr einer Ölpest im Naturschutzgebiet. In den letzten Jahren ist das Barrier Reef schon mehrfach knapp einer solchen Katastrophe entgangen, nachdem Transportschiffe auf hoch liegenden Korallenriffen aufgelaufen waren.

Der australische Umweltminister Tony Burke nahm den Bericht der Unesco zur Kenntnis. Viele der darin identifizierten Gefahren gälten auch für andere Korallenriffe, meinte er. Der neu gewählte Regierungschef von Queensland, Campbell Newman, lehnte es am Wochenende kategorisch ab, den Bau von Kohle- und Gasanlagen an der Küste zu stoppen. URS WÄLTERLIN