Der Retter der Popkultur

Mit 36 Jahren ist Ralph Christoph in Kölns Musikszene schon unsterblich. Er ist der Erfinder der c/o pop. Teil 1 der taz-Serie „Junge Gesichter“

VON CHRISTOPH SCHEUERMANN

Wer zu Ralph Christoph will, muss sich erst gegen eine schwere graue Eisentür stemmen. Drei Treppen höher, in einer Fabriketage in Köln-Ehrenfeld, sitzt er vor seinem Computer im luftigen Großbüro. Es ist durchaus nicht zu hoch gegriffen, wenn man sagt, dass er von hier aus mit seinen Mitarbeitern eine Operation durchführt. Eine ziemlich schwierige sogar, denn der Patient ist empfindlich. Sein Name: Pop.

Chefchirurg Christoph trägt einen Kapuzenpulli und raucht sehr viele Gitanes Blondes. Der Mann trägt eine große Verantwortung. Ihm ist es zu verdanken, dass im Jahre Zwei nach dem unglamourösen Abgang der Musikmesse Popkomm nach Berlin die lokale und internationale Popkultur in Köln so lebendig geblieben ist. Die Reanimationsmaßnahme trägt den etwas umständlichen Namen „c/o pop“, Untertitel: „Festival für elektronische Popkultur“. Vieles spricht dafür, dass die Operation auch in diesem Jahr glücklich verläuft.

Ralph Christoph hat das Gespür für eine gute Party schon früh entwickelt. 1988 ist er aus Offenburg nach Köln gekommen. Fast sofort stand er hier hinter den Plattentellern, hat Konzerte organisiert und die stickigen Clubpartys raus an die frische Luft gezerrt, in besetzte Häuser, an den Rhein. „Wir waren damals überall, wo eine Steckdose war“, sagt er. Mit 21 wurde er Musikredakteur bei der StadtRevue, wechselte kurz darauf zum hochoffiziellen Popkulturorgan Spex und hat gleichzeitig das Studio 672 mit der renommierten Techno-Reihe „Total Confusion“ aufgebaut. Studiert hat er nie, obwohl das ursprünglich sein Plan war. Dazu blieb einfach keine Zeit, sagt er.

Inzwischen ist Christoph 36 Jahre alt, die Haare auf dem Kopf werden dünner und ans Studium denkt er schon lange nicht mehr. Er treibt viel Sport, sagt er, und faulenzt gerne mit seiner Freundin auf der Terrasse. So hat sich mittlerweile sein Blick auf das Nachtleben von der Frosch- in die Vogelperspektive gewandelt: Früher stand er schwitzend auf der Tanzfläche, heute erstellt er Businesspläne für die Firma hinter der „c/o pop“ – worüber die Popabhängigen dieser Stadt froh sein dürfen. Denn ohne eine Popkomm-Nachfolge würde Ende August wohl das lärmige Ringfest die gesamte Stadt dominieren. Und das verhält sich zur Popkultur ungefähr wie der Ballermann zur Bildungsreise.

Im Gegensatz zu Großfestivals wie dem Ring-Ballermann will die c/o pop lieber klein sein und fein. Eine Ausstellung zur Graphik der Popmusik im Museum für Angewandte Kunst ist geplant und ein Synthesizerpark zum selber Ausprobieren.

Das Festival will man bewusst mitten in der Stadt und nicht außerhalb verankern. Das sei ihm sehr wichtig, sagt Ralph Christoph. Vielleicht schafft man es ja so, den öffentlichen Raum eine Zeit lang zu dominieren. Und ihn zurückzuerobern von der schrammaesken Kölsch- und Karnevalsseligkeit. Das wäre die zweite große Herausforderung. Nach der Rettung der Popkultur.