Genug Bilder fürs Familienalbum

Die deutschen Fußballjunioren scheiden nach einer unglücklichen 1:2-Niederlage gegen Titelverteidiger Brasilien im Viertelfinale der U 20-Weltmeisterschaft aus. Die Südamerikaner erzwingen die Entscheidung in der Verlängerung

TILBURG taz ■ Das Reporterehepaar aus Kolumbien drückte dem brasilianischen Kollegen die Kamera in die Hand, schmiegte sich ganz eng aneinander und strahlte gemeinsam der Ewigkeit des Familienalbums entgegen. „Klick“ machte es, und der Moment war festgehalten, der die beiden und das seit sechs Monaten im Bauch der Frau wachsende Baby auf der Pressetribüne des Willem-II-Stadions im holländischen Tilburg abbildet. Gerade waren die deutschen U 20-Junioren im Viertelfinale mit 1:2 nach Verlängerung von Titelverteidiger Brasilien aus dem Weltmeisterschaftsturnier gekegelt worden. Aus den Lautsprechern dröhnte Blasmusik. Unten auf dem Rasen feierten die Ballkünstler in den sonnengelben Trikots den Halbfinaleinzug, während die deutschen Spieler so benommen auf dem Boden lagen wie ein Boxer nach einem K.o.-Schlag. Und als wäre das späte Aus unter tropischen Temperaturen nicht Strafe genug, stimmten die holländischen Fans den Song der Häme an: „Schade Deutschland, alles ist vorbei.“

Die entscheidende Phase bei einer Weltmeisterschaft läuft wieder einmal ohne deutsche Beteiligung ab, gleichwohl der Einzug ins Viertelfinale mehr als nur eine Fußnote bedeutete. Zum ersten Mal nach der 1987 schließlich errungenen Vizeweltmeisterschaft glückte das wieder einer DFB-Auswahl – und zum dritten Mal insgesamt, nachdem 1982 gar der bislang einzige Titel herausgesprungen war. Auch dieser Statistik wegen zog Michael Skibbe ein „absolut positives Fazit“, als er die Leistung seiner Talente nach dem Spiel Revue passieren ließ. „Ich denke, wer den Brasilianern 120 Minuten so Paroli bietet wie wir, der ist in der Weltspitze“, glaubte der 39-jährige Exbundestrainerassistent. „Es haben nur ein paar Minuten zum Weiterkommen gefehlt“, haderte Skibbe zwar zu Recht, aber der Ausgleich des später wegen einer Schwalbe mit Gelb-Rot vom Platz gestellten Tardelli acht Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit war mehr als verdient. Und auch gegen den Siegtreffer von Rafael in der 99. Minute konnte Skibbe letztlich nichts wirklich einwenden. Zu augenfällig war die spielerische und läuferische Überlegenheit der Südamerikaner.

Und dennoch blieb bei den Spielern das Gefühl zurück, dass man diese wahrlich nicht überragenden Brasilianer hätte schlagen können. „Brasilien war nicht die Übermacht“, meinte zum Beispiel Marcell Jansen. Doch nach dem Führungstor von Alexander Huber (61.), legten die brasilianischen Jünglinge plötzlich zu, während Skibbe bei seinen Talenten so etwas wie die Angst vor der eigenen Courage diagnostizierte: „Vielleicht glaubten meine Spieler nicht daran, auf dem selben Level wie die Brasilianer spielen zu können.“ Ein Eingeständnis mangelnder Klasse. Einzig der bundesligaerfahrene Jansen (Gladbach) und der hervorragende Leverkusener Torsteher René Adler geben zu großen Hoffnungen Anlass. Dem Jahrgang 1985 fehlten nach dem verletzungsbedingten Ausfall von Mario Gomez (Stuttgart) und Lukas Sinkiewicz (Köln) sowie dem bereits zum A-Nationalspieler aufgestiegenen Lukas Podolski überragende Einzelspieler.

Wohl vor allem der realistischen Einschätzung der Fähigkeiten seiner Auserwählten also war das klinsmannesk positiv gefärbte Urteil von Michael Skibbe geschuldet. Der DFB-Jugendkoordinator, der jüngst eine Offerte des Bundesligisten Arminia Bielefeld als Manager ablehnte und nun auch für einen möglicherweise neu zu schaffenden Posten eines Sportdirektors beim DFB gehandelt wird, bemerkte: „Für die meisten bleibt eine WM ein einmaliges Erlebnis.“ Genügend Bilder fürs Familienalbum haben die mitgereisten Eltern bestimmt geschossen.

TOBIAS SCHÄCHTER