wortwechsel
: AKWs, Antisemitismus und Sprache

Kann man längere AKW-Laufzeiten gegen Tempolimit aufwiegen? Empathie mit Palästina ist nicht antisemitisch. Ein neues Sprachgesetz in der Ukraine soll Russisch verdrängen

Ist der deutsche Atomausstieg noch gefragt? Foto: Lilly/imageBROKER/imago

Die Frisur sitzt

„Schnelle Helmpflicht für E-Bikes“,

taz vom 13. 7. 22

Die Debatte erinnert mich an die Gurtpflicht im Auto in den 1970ern, zum Beispiel mit der Sorge um die Funktionsfähigkeit der weiblichen Brust, den Nachwuchs nicht mehr säugen zu können. Unfälle passieren nicht, weil man sie plant oder antizipiert, sie passieren, weil jemand schusselig ist, nicht aufpasst. Gut, wenn der Schädel dann nicht auf die Bordsteinkante knallt oder gegen den Pflanzkübel am Wegesrand. Ich glaube, man nimmt keinen Schaden durch den Helm, aber vielleicht ohne. Auf den Skipisten hat’s doch auch geklappt mit der Einsicht und ohne Verlust von Männlich- oder Weiblichkeit, auch die Frisur sitzt nachher nicht schlechter, als durch den Fahrtwind neu geordnet. Einfach machen.

Ellen Kray, Potsdam

Laufzeitverlängerung?

„Atomkraft löst die Energiekrise nicht“,

taz vom 20. 7. 22

Sachlich finde ich das völlig richtig: Atomkraft löst die Energiekrise nicht, und auch ich als Atomkraftgegner fände es super, wenn der Deckel auf dem Ausstieg drauf bliebe. Aber in der derzeitigen Gesamtlage fände ich es super, wenn es eine begrenzte Verlängerung der Laufzeit gäbe. Damit bekommen wir ein (unbegrenztes?) Tempolimit, das Leben rettet, für das eh die Mehrheit der Deutschen ist und die FDP ihr Fleißkärtchen, dass es ihr ja dann vielleicht erlaubt, bei weitaus wichtigeren Entscheidungen, die sicherlich im nächsten halben Jahr anstehen werden, kein Veto einzulegen. Und bei denen es, so wie es aussieht, um weit mehr gehen könnte als um sachliche Argumente für/gegen Atomkraft. Die gesellschaftliche Spaltung, die global und auch bei uns kontinuierlich an Dynamik/Sprengkraft zunimmt, könnte im Winter bedrohliche Ausmaße annehmen.

Thomas Maier, Taunusstein

Kuhhandel

„Mehr Kompromisse wagen“,

taz vom 21. 7. 22

Tatsächlich geht die Vorstellungskraft des Redakteurs nur soweit, dass eine Laufzeitverlängerung der drei AKW, die er und Oppositionskreise sowie die Regierungs-FPD für notwendig erachten, durch einen „deal“ zu erreichen ist, der aus einer Zustimmung eben dieser Kreise zu einem Tempolimit zu erzielen wäre. Dabei unterdrückt er die Tatsache, dass die Akzeptanz für ein Tempolimit innerhalb unserer Gesellschaft ein signifikantes und stetes Ansteigen aufweist, sodass dessen Einführung nur noch eine Frage der Zeit und der Vernunft sein kann. Dazu bedarf es daher aber keiner Gegenleistung: Vernunft braucht Zeit, aber keine Begründung!

Gerd Dreßler, Preetz

Würdevolles Leben

„Guter Ansatz, aber der Kampf gegen Armut geht weiter“, taz vom 21. 7. 22

Hartz IV, das ist eine Last der Vergangenheit, die Fortschrittsampel wird mit dem neuen „ Bürgergeld“ die Teilhabe an einem würdevollen Leben mit einer finanziellen Aufstockung auf circa 800 Euro weit verfehlen. Auch die Lockerungen im Sanktionspaket sind nicht vollständig aufgehoben, sondern nur in die Zukunft verschoben. Die tiefe Spaltung der Gesellschaft in weiter steigende Armut und unverschämten Reichtum gefährdet die Demokratie als Ganzes.

Thomas Bartsch-Hauschild, Hamburg

Analyse überfällig

„Deutscher Nährboden“, taz vom 21. 7. 22

Danke für diesen guten Artikel. Der Judenhass der muslimischen Welt ist allerdings – latent und offen – seit der Gründung des Islam durch den Koran und durch die Aussprüche des Propheten begründet. Wenn der Nazi-Sender Radio Zeesen zum Djihad aufruft, hat das eine untergeordnete Bedeutung, weil den Djihad nur ein Imam ausrufen kann. Die iranische Führung avisierte jüngst die Vernichtung des „zionistischen Gebildes“ bis zum Jahre 2030. Dieser blinde Hass gegen Juden heutzutage hat nicht mehr viel mit der Nazipropaganda zu tun, sondern ist grundgelegt in den islamischen Schriften. Eine Analyse dieser weltweit wirksamen Kriegsaufrufe ist überfällig.

Andreas Widmann, Hemmingen

Palästina

„Deutscher Nährboden“, taz vom 21. 7. 22

Ulrike Klausmann scheint sich Empathie für das Leid der Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen gar nicht anders vorstellen zu können als in Form von Antisemitismus – gleich im ersten Paragrafen ihres Artikels sieht sie Belege der interdisziplinären Antisemitismusforschung diesbezüglich. Warum muss denn die Antisemitismusforschung dafür herhalten? Ich finde das empörend.

Auch Verkürzung ihrer Argumentation betreibt sie selbst. Es entspricht nicht der Tatsache, dass die Vertreibung und Enteignung der Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen erst nach der Staatsgründung Israels stattfand, sondern diese begann bereits Ende 1947 (siehe „Die ethnische Säuberung Palästinas“, des Historikers Professor Ilan Pappe).

Manuela Kunkel, Stuttgart

Framing

„Ukrainisch als Amtssprache“,

taz vom 18. 7. 22

In einem Land wird eine Sprache, die dort von Millionen Menschen im Alltag gesprochen wird, für den öffentlichen Gebrauch verboten, und ihr präsentiert das als VHS-Idylle. Und das war ja nicht der erste Schlag gegen die Kreise, die den ukrainischen Nationalismus ablehnen – Verbote von Parteien und Medien sind vorangegangen.

Als hätte es nie einen Botschafter Melnyk gegeben, der öffentlich den Faschisten Bandera hypet, als hätte es nie die Sniper des rechten Sektors auf dem Maidan gegeben, oder das Gewerkschaftshaus in Odessa, das man samt Insassen angezündet hat.

Florian Suittenpointner, Köln

Öl ins Feuer

„Ukrainisch als Amtssprache“,

taz vom 18. 7. 22

Seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen Überfalls Russlands auf die Ukraine sind seitens der ukrainischen Regierung immer wieder wenig zielführende Forderungen und Statements zu hören gewesen. Ich habe den Eindruck, dass bewusst immer wieder Öl ins Feuer gegossen wird; die Bevorzugung der ukrainischen Sprache gegenüber der russischen heizt den Konflikt weiter an.

Roland Benz, Frankfurt a. Main

Menschenrechte

„Ukrainisch als Amtssprache“,

taz vom 18. 7. 22

Grüezi, liebe Mitbürger in Genf und Lugano, ab morgen sprecht ihr bitte Deutsch in Schule, Universität und Büro! Zu Hause am Küchentisch könnt ihr noch Französisch oder Italienisch schwätze, aber in der Öffentlichkeit nur noch Düütsch, ansonsten Buße über 200 Franken, oder!

So eine Ankündigung von der Berner Regierung wäre undenkbar, aber wenn die Ukraine ihren Bürgern das Sprechen und Schreiben einer Sprache ihrer Wahl, gar ihrer Muttersprache, verbietet, regt sich keine Kritik, weil es gegen Russen geht, und der taz ist diese eklatante Menschenrechtsverletzung nur einen belustigenden Bericht wert.

Harald Krähe, Essen

Highlight

„Nakba und deutsche (Un-)Schuld“,

taz vom 13. 7. 22

Vielen Dank für das ‚Schlagloch‘: ‚Schuld und Nakba‘ von Charlotte Wiedemann am 13.7.21!

Frau Wiedemann schafft das so gut, die ‚multiperspektivische Sicht‘ nicht nur darzustellen, sondern auch überzeugend einzufordern. Dass in der taz immer wieder mal Artikel von Charlotte Wiedemann abgedruckt werden, die jedes Mal ein Highlight für mich sind, ist für mich ein großer Grund, die taz zu schätzen!

Andrea Bauer, Darmstadt