die taz vor sieben jahren: dieter rulff über der funktionslosigkeit der fdp
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Die FDP ist in erster Linie eine Funktions- und dann erst eine Programmpartei. Auch Westerwelle weiß, daß nur die Funktion der FDP das Überleben sichern kann. Und er weiß auch, daß Helmut Kohls Überleben von dieser Funktionsrolle abhängt. 1994 brachte die FDP die Symbiose mit Kohl auf den Wahlslogan: FDP wählen, damit Kohl Kanzler bleibt. Dieser funktionalistische Minimalismus war zugleich der Tiefpunkt liberalen Selbstbewußtseins. Seitdem hat die FDP den Mantel programmatischer Beliebigkeit abgestreift und sich eine klare Identität geschneidert.

Dem neoliberalen Projekt Westerwelles wurde bereits vor Jahren ein Wählerpotential von bis zu 15 Prozent attestiert. Allein, die Wählerschaft goutiert den marktradikalen Impetus nicht, sie bleibt gegenüber der FDP reserviert. Denn so häufig Westerwelle seinen marktradikalen Antietatismus hinausschrie, so häufig wurde ihm von den potentiellen Wählern das eigene Mittun vorgehalten. Bildete der Kanzler das barocke Bühnenbild, vor dessen Hintergrund Westerwelle seinen modernistischen Veitstanz aufführen konnte, so wird ihm diese Rolle schwergemacht, seit Wolfgang Schäuble seinerseits eine konservative Antwort auf die zweite Moderne formuliert.

Es gibt einen Ort, um diese Widersprüche aufzuheben, die Opposition. Es wäre für die Partei eine gewöhnungsbedürftige, aber keinesfalls chancenlose Position. Die Stärke der CDU ist innerhalb der europäischen Christdemokratien eine Ausnahmeerscheinung. Der Einbruch einer modernisierten Sozialdemokratie in das nach neuen Orientierungsmustern suchende Bürgertum ist unverkennbar. Gehen CDU und FDP in die Opposition, wird man sie auch an den Antworten unterscheiden können, die sie auf den Kompetenzverlust des Nationalstaates geben. Ist die Christdemokratie in eine Große Koalition eingebunden, läßt deren rheinische Variante des Kapitalismus ausreichend Raum für eine klare konservativ-liberale Profilierung.