Klare Verlierer, unklare Gewinner

Bei den Wahlen in Bulgarien schneiden die Sozialisten mit mehr als 30 Prozent am besten ab. Offen bleibt, ob die bisherige Oppositionspartei eine Regierung bilden kann. Rechtspopulisten neu im Parlament, König halbiert seinen Stimmenanteil

AUS SOFIA BARBARA OERTEL

Die Bulgaren bleiben sich treu: Bei den Parlamentswahlen vom Samstag haben sie der Regierung wieder einen Denkzettel verpasst. 31,2 Prozent und mit Abstand die meisten Stimmen erhielt vorläufigen Ergebnissen zufolge die Sozialistische Partei (BSP), die mit anderen Parteien in der „Koalition für Bulgarien“ angetreten war. Das Ergebnis ist eine Verdoppelung des Stimmanteils im Vergleich zu 2001.

Auf dem zweiten Platz landete mit 19,9 Prozent die Nationale Bewegung Simeon II. (NDSW) des Regierungschefs und Exmonarchen Simeon Sakskoburggotski, die die Hälfte ihrer Wähler verlor. Dritte Kraft dürfte Simeons bisheriger Koalitionspartner, die Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) werden. Mit 12,5 Prozent baute die Vertretung der türkischen Minderheit ihren Stimmenanteil um knapp 5 Prozent aus.

Die Überraschung der Wahlen ist die neue Gruppierung Ataka. Die radikale Protestpartei, die mit Parolen wie „Türken und Roma raus!“ geworben sowie den Austritt Bulgariens aus der Nato und Nachverhandlungen des EU-Beitrittsvertrages gefordert hatte, kam auf 8,2 Prozent.

Auch drei Parteien bzw. Bündnisse des zersplitterten rechten Lagers schafften den Sprung ins Parlament: Die Vereinigung der Demokratischen Kräfte (ODS) von Exaußenministerin Nadeschda Michailowa (7,7 Prozent), die Partei Demokraten für ein starkes Bulgarien (DSB) des früheren Regierungschefs Ivan Kostow (6,45 Prozent) sowie das Bulgarische Volksbündnis (BNS) des Sofioter Bürgermeisters Stefan Sofianski (5,2 Prozent).

„Keine Sieger bei den Wahlen“, titelte die Tageszeitung Novinar in ihrer gestrigen Sonderausgabe und umschrieb treffend das Dilemma, vor dem die etablierten Parteien jetzt stehen: Zwar dürfte als sicher gelten, dass die Dauerregierungspartei DPS auch im künftigen Kabinett vertreten sein wird. Ansonsten ist jedoch alles offen. So könnte die BSP mit der DSP und der Partei Sofianskis eine Koalition eingehen. Rechnerisch wäre auch ein Bündnis des Königs mit DPS und den rechten Parteien möglich. Auch eine große Koalition aus Sozialisten, Königspartei und DSP wird als Variante gehandelt.

Unter Journalisten und Experten machten zudem Spekulationen über Neuwahlen die Runde.

Angesicht dieser unklaren Lage wollte bei den Sozialisten keine Siegesstimmung aufkommen. BSP-Chef Sergej Stanischew betonte noch einmal die Notwendigkeit, den Reformprozess zu beschleunigen. Jede Partei, die mit daran arbeiten wolle, lade die BSP zur Zusammenarbeit ein. „Bulgarien braucht stabile und arbeitsfähige Institutionen“, sagte Stanischew.

Sichtlich betreten trat König Simeon vor die Kameras. Das Land müsse nach vorn schauen, die volle EU-Mitgliedschaft Bulgariens zum 1.Januar 2007 bleibe erste Priorität. Ein Konfrontationskurs der Parteien würde dem Image des Landes extrem schaden. „Rassismus und Xenophobie sind kein Weg, um die Probleme zu lösen“, sagte er.

Einen Vorgeschmack auf die hohe Qualität künftiger politischer Auseinandersetzungen lieferte Volen Siderow. „400.000 Menschen haben uns gewählt, das sind keine Faschisten, sondern ehrenwerte Patrioten. Wir werden im Parlament die nationalen bulgarischen Interessen vertreten“, polterte der Ataka-Chef und Oberbulgare und drosch in gewohnt demagogischer Manier auf die Vertreter der anderen Parteien ein. Als ein Journalist fragte, wann Siderow das letzte Mal einen Psychiater aufgesucht habe, reagierte der wie auf alle anderen Fragen vorher: Er verweigerte eine Antwort.

meinung und diskussion SEITE 11