Attentäter im Irak agieren als Lockvögel

Bei Anschlägen in mehreren Städten sterben am Wochenende über 50 Menschen. Die Aktionen werden immer stärker koordiniert und technisch verbessert. Gleichzeitig soll es Verhandlungen zwischen Untergrundkämpfern und den USA geben

AUS ARBIL INGA ROGG

Eine Reihe von Bombenanschlägen hat im Irak über das Wochenende mehr als fünfzig Tote gefordert. Zwei Selbstmordattentäter haben am Sonntag im nordirakischen Mossul mindestens 31 Personen in den Tod gerissen. Der erste Anschlag galt einer Polizeiwache im Zentrum der Stadt. Getarnt als Melonenhändler raste der Attentäter mit seinem Wagen in die Wache, die in der Nähe des zentralen Obst- und Gemüsemarkts liegt. Laut amerikanischen Militärangaben wurden dabei 13 Polizisten und zwei Passanten getötet, sieben Personen wurden verletzt.

Weniger als zwei Stunden später steuerte ein Attentäter seinen mit Sprengstoff bepackten Wagen auf den Parkplatz einer Armeebasis. Dabei wurden 16 Personen, meist Zivilisten, getötet und sieben verletzt, sagte der US-Militärsprecher. Am Samstag waren bei einem Autobombenanschlag auf den Konvoi des örtlichen Polizeichefs mindestens vier Polizisten getötet worden.

Bei Kirkuk wurden sieben Polizisten verletzt, als ein Selbstmordattentäter in einen Checkpoint am Stadtrand fuhr. Beinahe zeitgleich gingen drei weitere Bomben hoch. In Bagdad erschossen Unbekannte den stellvertretenden Leiter der Rasafa-Polizeistation, die für den Ostteil der Hauptstadt zuständig ist.

Im Irak vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem die Polizei nicht zum Ziel von Bombenanschlägen und Überfällen wird. Bei einem Angriff auf eine Wache im westirakischen Ramadi wurden am Samstag acht Polizisten getötet. In Samara, rund 80 Kilometer nördlich von Bagdad, rückte der Selbstmordattentäter im Konvoi von fünf weiteren Wagen mit schwer bewaffneten Angreifern auf das Haus eines hochrangigen Polizeioffiziers vor. Der Überfall forderte mindestens neun Todesopfer.

Attentate wie das von Samara zeigen eine wachsende Heimtücke. Der Selbstmordattentäter ist dabei häufig nur noch ein Glied in einer gut geplanten Operation. Um das Anschlagsziel bringen die Untergrundkämpfer weitere Sprengfallen an, die detonieren, wenn Patrouillen und Ambulanzen zur Hilfe eilen. Der Selbstmordattentäter dient dabei schon beinahe als so etwas wie ein Lockvogel, um möglichst viele Opfer zu erzielen.

Außerdem haben US-Kommandeure eine deutliche Verbesserung im Bau der Bomben verzeichnen müssen. Besonders bei den Anschlägen auf Militärfahrzeuge kommen demnach Bomben zum Einsatz, die so gebaut sind, dass die Sprengladung punktgenauer die Metallpanzerung der Fahrzeuge durchbohrt. Mit Infrarotschaltern ist es den Kämpfern zudem gelungen, die Elektronik-Jammer der Amerikaner gegen die herkömmlichen Zünder auszuschalten.

Um die Spirale der Gewalt zu durchbrechen, setzen die USA auch auf Verhandlungen mit Untergrundkämpfern. Entsprechende Gerüchte bestätigte gestern US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, zu Details wollte er aber nichts sagen. Laut britischen Medienberichten sollen sich in der ersten Junihälfte US-Kommandeure und Vertreter der US-Botschaft in Balad bei Bagdad mit Militanten getroffen haben. Dabei soll auch Ansar al-Sunna vertreten gewesen sein, die neben Sarkawis al-Qaida zu den ruchlosesten Gruppierungen im Irak gehört. Seit längerem bemühen sich die Amerikaner über Gespräche einen Teil der Aufständischen, vor allem sunnitische Araber, auf Regierungsseite zu ziehen. Die Kontakte zu Ansar al-Sunna streiten US-Vertreter jedoch ab. Es gehe um Konsultationen mit sunnitischen Stammesführern, Geistlichen und Aufständischen.