LESERINNENBRIEFE
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Schade, aber unvermeidlich

■ betr.: „Verwirrung um Hess-Natur“, taz vom 6. 6. 12

Als Hess-Naturkunde der ersten Stunde bin ich mit diesem Unternehmen durch alle Höhen und Tiefen der Qualität und Lieferfähigkeit, der Angebote und der Vorstellungen von Mode gegangen. Der Absturz verlief im Grunde parallel zu dem Ausstieg des Gründers aus dem aktiven Geschäft, und seit den letzten fast drei Jahren Hängepartie ist die Leistungsfähigkeit leider auf null gesunken. Selbst einfachste Bestellungen konnten nicht mehr ausgeliefert werden. Und wer wartet schon acht Monate auf zwei T-Shirts und einen Gürtel? Der Investor kauft eine Kartei gut betuchter Kunden und vielleicht noch einige gute ökologische Labels. Dass die hnGeno nicht zum Zuge gekommen ist, hat wohl eher etwas mit der Finanzkraft zu tun, um die Gläubiger zu befrieden. Schade – aber wohl unvermeidlich. WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen

„Es zwingt Sie ja keiner …“

■ betr.: „Kaum Hilfen für behinderte Studierende“, taz vom 5. 6. 12

Unter den „anerkannten“ Behinderten haben die Gehörlosen noch die größte Lobby, weil sie sich als ethnische Minderheit und nicht primär als Behinderte definieren können. Aber viele andere „unsichtbare“ Behinderungen können von Hochschulmitarbeitern einfach negiert werden. Muss man doch einen Nachteilsausgleich geltend machen, gleicht dies einem Gang nach Canossa. Gern gebraucht wird dann das Argument, man wolle sich nur aus der Verantwortung stehlen, eine Vorteilsnahme erreichen, bevorzugt werden vor den Kommilitonen, die alle „ordentlich“ studierten und „alle“ Auflagen erfüllten. Das Totschlagargument: „Es zwingt Sie ja keiner, zu studieren!“ G. SCHWARTZ, Hamburg

Unterschied bleibt Unterschied

■ betr.: „Bestnote ‚drei minus‘“, taz vom 7. 6. 12

„Notenzwang“ auf der einen Seite und „emotionale Sätze“ auf der anderen beschreiben die Pole, zwischen denen Lehrer im Alltag herumeiern, wenn sie versuchen, die Leistungen ihrer Schüler angemessen zu beurteilen. Dieses Problem verschärft sich, wenn die Inklusion nun wirklich kommt und wir mit großen Leistungsdifferenzen in einer Lerngruppe umgehen müssen. Es wird nicht einfacher, wenn ich individuell angemessen die Anstrengung des Lernenden in den Vordergrund stelle, wie es sich die im Artikel beschriebene Mutter und ihr Kind wünschen. Ein Lernender, der ohne jede Anstrengung fehlerfreie Resultate erzielt, dürfte nach dieser Logik bestenfalls mit „ausreichend“ beurteilt werden. An den erkennbaren Leistungsunterschieden zwischen beiden Lernenden ändert sich aber nicht dadurch etwas, dass ich ihre Bemühung um ein optimales Ergebnis verbal beschreibe. Was sich ändert, ist die Wertschätzung – das Gefühl, angenommen und anerkannt zu sein. Wir brauchen in der Schule beides: eine klare inhaltliche Zielvorstellung, was die Schüler wissen und können sollen, und die wertschätzende Begleitung der Lernenden auf ihrem Weg dahin. Dazu gehört die unbequeme Einsicht, dass Unterschiede auch weiterhin Unterschiede bleiben, die man nicht verbal schönreden kann. IMKE FISCHBECK, Berlin

Fremdschämen für die taz

■ betr.: „Verrutschte Maßstäbe“, taz vom 31. 5. 12

Was soll denn das? taz-like ist das krause Gemisch aus Tatsachen/Wahrheit und unsachlicher Polemik sicher nicht! Wenn die „Exoten“ in privater Hand länger als in der Natur leben würden, müssten beim Umsatz der Zoohändler und der Baumärkte mit Zierfischangebot alle Berliner Haushalte ein voll besetztes Aquarium haben. Auch müsste das Tierheim nicht ein teures Haus für Exoten (Agamen, Schildkröten, Kaimane, Leguane) bauen.

Radikal – bis auf wenige, nicht die Tierschutzszene widerspiegelnde Autonome – sind die deutschen Tierschützer nicht. Sie werden allerdings lauter, weil viel zu wenig zum Wohl der Tiere geschieht. Ein unzureichendes Gesetz, eine immer preiswertere Tierprodukte fordernde Gesellschaft und eine Agrarindustrie ohne Grenzen müssen Widerstand, möglichst laut, möglichst nachdrücklich, erzeugen.

Und das will der Beitrag mit undefinierten Begriffen wie „Qualzucht“ oder „Exoten“ ins Lächerliche ziehen! Damit geht er weit an der Wirklichkeit vorbei. Dem Autor sei empfohlen, mal den Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen für ein neues, zeitgemäßes Tierschutzgesetz zu lesen. Vielleicht kann er dann sein Geschwätz mäßigen. So kann man sich für den Ausrutscher der taz nur fremdschämen. KLAUS LÜDCKE, Landestierschutzbeauftragter Berlin

Wie im Kriegszustand

■ betr.: „Ein Hoch auf dich (Deutschland)!“, taz vom 7. 6. 12

Ein ganzes Land begibt sich wieder in eine hysterische Fußballeuphorie und vergisst darüber den politischen Alltag! Selbst die Kanzlerin bedient sich der Volksverdummungsdroge und reist extra nach Danzig zur deutschen Nationalmannschaft an. Ich will keinem die Freude am Fußball nehmen, doch muss es sich wieder so extensiv in unserer Gesellschaft entladen, dass Andersdenkende kaum noch ein normales Leben in den nächsten Wochen führen können, wenn man überall in der Stadt auf dumpf gröhlende und fahnenschwingende Fußballanhänger stößt, wenn man schon des Nachts bei den Testspielen der Nationalmannschaft durch Feuerwerkskörper aufgeschreckt wurde und sich vorkommt wie im Kriegszustand? THOMAS HENSCHKE, Berlin