berliner szenen Wumm, wumm, wumm

Ratten im Hof

Es wurde immer wärmer und feuchter und die Mülltonnen waren überfüllt. Im Nu waren Ratten da – viele Ratten, große Ratten, kluge Ratten.

Die Ratten bei mir im Hof waren so klug, dass sie die Deckel der Mülltonnen öffnen konnten. Man hörte sie von innen dagegen springen, weil sie offenbar schwer wieder rauskamen. Wenn ich nachts in den Hof trat, machte es: „Wumm, wumm, wumm!“ Der Deckel hob sich jedes Mal ein bisschen und schloss sich dann wieder. Sie turnten in der gelben Tonne herum, in der grauen Tonne und in der Papiertonne. Wahrscheinlich schmökerten sie dort und wurden davon noch klüger. Manchmal leuchtete ich mit der Fahrradlampe ein karnickelgroßes Vieh mit nacktem Schwanz an, das nicht vor mir flüchtete. Oben im Bett hörte ich sie weiter: „Wumm, wumm, wumm!“ Mir grauste es schon davor, den Müll wegzubringen – am Ende sprang mir noch so ein Vieh entgegen.

Die Hausverwaltung reagierte. Ich selber hatte mich gar nicht beschwert, doch auch andere Mieter konnten bei dem Krach nicht schlafen. An den Wänden hingen rote Zettel: Man habe Gift ausgelegt. Fatalerweise hingen die Warnhinweise für die Ratten zu hoch – da waren die nächtelangen Aufenthalte im Altpapier praktisch umsonst. Dort wo ich früher gewohnt habe, hatte der wahnsinnige Hauswart das Problem mit dem Luftgewehr erledigt. Nach zehn Treffern sah das Treppenhaus aus wie ein Schlachtfeld. „Das Töten macht ja Spaß“, kommentierte er, übrigens nur dieses eine Mal ohne zu stottern, „aber das Aufräumen ist immer Scheiße.“

Jetzt ist hier alles sauber. Bloß eine kranke Ratte schleppt sich über den Hof – sie muss etwas Unrechtes gegessen haben. Kein schöner Anblick, wenn sich ein Tier so quält. ULI HANNEMANN