SCHRÖDER BEI BUSH – EIN ABTRITTSBESUCH
: Artigkeiten helfen Merkel nicht

Auslandsreisen werden von Regierungschefs in Bedrängnis meist sehr geschätzt – sie lenken so schön von heimischen Nöten ab. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Gerhard Schröder dürfte an seinem USA-Besuch wenig Freude haben. Gerade hat Verteidigungsminister Struck erfahren müssen, wie gering das Interesse in Washington an der deutschen Regierung derzeit ist. Dem Vernehmen nach war das sogar der Grund für die kurzfristige Absage seiner Visite.

Auch Schröder wird sich wohl wenig willkommen fühlen, aber dieses Problem hätte sich durch eine Absage nicht lösen lassen. Im Gegenteil. Der ungünstige Eindruck vom Kanzler auf Abruf wäre verstärkt worden. So blieb ihm nichts anderes übrig, als loszufliegen. Mit der Erkenntnis im Gepäck, dass keine Erfolge winken, und er noch froh sein muss, wenn er nicht offen brüskiert wird.

Die Regierung Bush wird sich hüten, der ungeliebten rot-grünen Koalition Wahlkampfhilfe zu leisten. Den törichten, von Geltungssucht gespeisten Wunsch nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat hätte sie vermutlich nicht einmal einer deutschen Regierung erfüllt, die in Washington besser gelitten ist. Ob eine Kanzlerin Angela Merkel das Projekt erneut aufgreifen will, lässt sich derzeit nicht sicher sagen. Es ist aber unwahrscheinlich. Fraktionsvize Schäuble hat jedenfalls schon eindringlich davor gewarnt.

Angela Merkel dürfte im Falle eines Wahlsieges andere Sorgen haben als Prestigevorhaben durchzusetzen, auch im Blick auf das transatlantische Verhältnis. Es klingt nett, wenn sie sagt, dass sie die Beziehungen zu den USA verbessern möchte. Aber ein außenpolitisches Konzept ist das noch nicht. Zumal Konflikte programmiert sind, sobald es nicht mehr wolkig bleibt, sondern konkret wird.

Die Union wird nicht mehr Geld für Aufrüstung haben als Rot-Grün, was immer Washington fordert. Riskante und teure Auslandseinsätze sind auch bei CDU und CSU umstritten. Und dass eine schwarz-gelbe Regierung die Bundeswehr tatsächlich in den Irak geschickt hätte, darf bezweifelt werden. Angesichts von so viel Zündstoff wird sich Politik nicht dauerhaft durch Artigkeiten ersetzen lassen. BETTINA GAUS