brief des tages
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Chance der Documenta 15

„Größenwahn und Niedertracht. Antisemitismus auf der documenta fifteen“,

taz vom 25. 6. 22

Was an der notwendigen Debatte um Antisemitismus auf der documenta fifteen völlig in den Hintergrund gelangt, ist der Kern dieser Kunstausstellung und welche Schönheit, Aktualität und positive Sprengkraft dieser hat. Die aktuelle Berichterstattung über die documenta ist zu einseitig, zu kampagnenhaft, zu ungerecht, auch wenn sie im Kern eine absolute Berechtigung hat. Wir sollten die documenta fifteen von Antisemitismus, aber auch von unserer tiefgeprägten westlichen Perspektive befreien. Diese documenta fifteen, wenn wir genau hinsehen, hinhören, hinfühlen, hat eine echte Chance, zu verbinden und zu verändern. Wir sollten die Ausstellung trotz der offenkundigen Verletzung mit Gutmütigkeit besuchen und ihr Offenheit entgegenbringen. Denn genau diese Größe und Dialogbereitschaft beweisen alle ausstellenden Künstler auf der documenta als Teil der unterprivilegierten Welt in einer der reichsten Nationen der Welt. Wir sollten beweisen, dass wir die gleiche Menschlichkeit besitzen, denn dann haben wir bereits viel von der documenta fifteen gelernt. Julian Emde, Berlin