OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Irgendwo in diesem Bild ist ein Haus von Rudolph Schindler versteckt.“ Mit diesem kleinen Rätsel beginnt Heinz Emigholz’ Film „Schindlers Häuser“ (2007) über die Bauten des aus Österreich stammenden Architekten, der hauptsächlich in Kalifornien arbeitete. Ein Rätsel, das Emigholz’ Anliegen prägnant formuliert: die Einbettung der sogenannten Autoren-Architektur in die kulturellen und sozialen Zusammenhänge des Hier und Jetzt. Auf Emigholz’ Aufnahme sieht man eine Kreuzung in Hollywood mit diversen Gebäuden, einer Reklametafel und ein paar Bäumen. Auf den ersten Blick kann man das Haus von Schindler darin tatsächlich nicht entdecken – es ist verborgen in der Umbauung, den Veränderungen der Umgebung im Lauf der Jahrzehnte. Im weiteren wird Emigholz dann mit unkommentierten Aufnahmen von 40 Gebäuden, die Schindler zwischen 1921 und 1952 erbaute, die Autorenschaft des Baumeisters im unkonventionellen Umgang mit dem Raum herausarbeiten, mit jenen rechteckigen Formen aus Holz und Beton, die sich ineinanderschachteln und dabei aufzulösen scheinen. Doch auch die Natur und die Nutzer der Gebäude bleiben in Bild und Ton stets präsent, so dass „Schindlers Häuser“ nicht nur ein interessanter Film über moderne Architektur geworden ist, sondern auch ein Essay über die Spuren des Lebens. Anlässlich des Tages des offenen Denkmals (12./13. 9. in Berlin) werden in der Astor Film Lounge noch zwei weitere Emigholz-Filme gezeigt: „Goff in der Wüste“ (2003) beschäftigt sich mit dem modernen Architekten Bruce Goff, während „Loos Ornamental“ sich mit den Werken und Theorien des österreichischen Baumeisters Adolf Loos auseinandersetzt, der das Stadtbild von Wien zum Beginn des 20. Jahrhunderts entscheidend prägte. Heinz Emigholz wird zu seinen Filmen jeweils eine Einführung halten. („Schindlers Häuser“, „Goff in der Wüste“ 12. 9.; „Loos Ornamental“ 13. 9. Astor Film Lounge)

In dem Gemälde „Die Ährenleserinnen“ hat Jean-François Millet 1857 Frauen des ländlichen Proletariats abgebildet, die mit Erlaubnis der Bauern auf den bereits abgeernteten Feldern die übrig gebliebenen Ähren auflesen. Dieses Gemälde und das noch heute bestehende Recht zum Sammeln hat Agnès Varda zum Ausgangspunkt ihrer Doku „Les glaneurs et la glaneuse“ (2000) gemacht: Sie stößt dabei auf EU-Verordnungen, die die Bauern dazu verdonnern, Tonnen von Kartoffeln wegzuwerfen, weil diese entweder zu klein oder zu groß für eine Handelsnorm sind, sie beobachtet Menschen, die sich von den liegen gebliebenen Feldfrüchten ernähren müssen, und Leute, die sich gegen die Verschwendung unserer Überflussgesellschaft richten und ihr Essen ganz bewusst aus den Mülltonnen der Supermärkte zusammensuchen. All dies setzt Varda schließlich in Beziehung zu sich selbst, denn die Filmemacherin sammelt ja ebenfalls – Bilder und Erinnerungen. Doch auch wenn sie gelegentlich von sich spricht, ist es doch vor allem das Interesse für die anderen Menschen, das Vardas Dokumentarfilme auszeichnet. (OmU, 13. 9. Arsenal) LARS PENNING