wortwechsel
: Plakative Verfehlungen und das vegane Leben

Das abgehängte Werk der indonesischen Künstlergruppe auf der Documenta erhitzt die Gemüter, und der Streit um die Klimabilanz der Kuh bringt auch keine echte Abkühlung

Ein fotogenes Tier: die Kuh Foto: Imago

Energieunabhängig

„Gas einsparen, wo es möglich ist“,

taz vom 21. 6. 22

Interessant, wer jetzt so alles für den Weiterbetrieb der Atommeiler plädiert. Das ist umso unverständlicher, als die Atomkraft als Ersatz für Gas ja nicht viel nützt und dann auch in diesem Winter gar nicht zur Verfügung stünde. Und wenn dann mal der Ausbau der „Friedensenergien“ zügig fortschreitet (wie angekündigt), müssten doch Engpässe vermieden werden können, ohne dass man alle früheren Entscheidungen über den Haufen werfen muss. Schließlich ist Energieunabhängigkeit mit denselben Maßnahmen zu erreichen, die auch für ausreichenden Klimaschutz gebraucht werden. Das darf nicht vergessen werden, auch wenn die Lobbyisten der Wirtschaft sich immer lautstarker Gehör verschaffen.

Helga Schneider-Ludorff, Oberursel

Mit Respekt

„Klimaretterin Kuh“, taz vom 15. 6. 22

Gerne würde ich noch auf ein paar Punkte hinweisen zu den Leistungen der Kühe für uns Menschen (Bodenfruchtbarkeit, Nahrungsqualität, Sesshaftigkeit der Menschen), beschränke mich aber auf den Schluss des Artikels, wo die Frage des Schlachtens – scheinbar als bedauerliche Notwendigkeit – angesprochen wurde. Ich war selber Kuhbauer und habe beim Schlachten die Erfahrung gemacht, dass die Tiere damit einverstanden sein können. Die Haltung und Schlachtung der Tiere muss aber respektvoll, wesensgemäß, in Dankbarkeit und in einem persönlichen Verhältnis geschehen. In der Massentierhaltung ist das kaum möglich. Ich habe mehrere Arten des Tötens von Tieren erlebt, auch im Schlachthof. Die Erlebnisse, die die Tiere dort oft haben (Angst, Stress, Fluchtinstinkt, und ein deutlich erkennbarer Wille, leben zu wollen), konnte ich genau so auch in Kenia bei einem Büffel wahrnehmen, der von einem Löwinnenrudel gerissen wurde. Da wurde mir schlagartig klar, dass wir Menschen das nicht machen müssen wie die wilden Tiere, sondern das Schlachten kultivieren können.

Karlheinz Jahraus, Westheim

Nahrungskonkurrenz

„Klimaretterin Kuh“, taz vom 15. 6. 22

„Mit Nutztieren können Sie praktisch die vegane Basisproduktion verdoppeln – ganz ohne Nahrungskonkurrenz“. Solche Phrasen zu verbreiten, halte ich für gefährlich. Denn was bleibt hängen? Alte, mittlerweile oft widerlegte Märchengeschichten. Nein, mit Tierhaltung lässt sich die Anzahl verfügbarer Kalorien nicht ohne Nahrungskonkurrenz verdoppeln. Ja, Rinderhaltung ist klimaschädlich. Woher kommt denn die angeführte Erosion? Vielleicht auch durch intensive Landwirtschaft, um Tierfutter anzubauen? Erstklassige Rosinenpickerei des Herrn Windisch, dessen Rückhalt in der wissenschaftlichen Community ich anzweifeln möchte. Aber derart bestärkt kann man dann wieder beruhigt die Bio-Milch oder den Pizzakäse, die saure Sahne oder den Joghurt im Supermarkt kaufen, von den 98 Prozent der Kühe, deren Alltag nichts mit dem zahlenmäßig irrelevanten Experiment von Frau Bajohr zu tun hat, und die natürlich Maissilage aus Nahrungskonkurrenz fressen. Wollt ihr das? Jonas Becker, Berlin

Luxus

„Klimaretterin Kuh“, taz vom 15. 6. 22

Ich bin nicht gegen Veganismus, jeder soll das so halten, wie er will. Doch sollten wir auch bedenken, dass meiner Meinung nach die vegane Lebensweise ein Luxus ist, den wir uns hier im Globalen Norden nur leisten können, da wir in einer globalisierten und hoch technisierten Welt leben, die weiterhin den Globalen Süden ausbeutet. Ich möchte noch unterstreichen, dass wir natürlich weitaus weniger Fleisch konsumieren sollten, doch, wie im Bericht dargelegt, bitte Fleisch, das durch Gras geschaffen wurde und nicht durch für uns verfügbare Nahrungsmittel. VOHWI auf taz.de

Gegentrend

„Banner ist weg, Streit geht weiter“,

taz vom 23. 6. 22

Ich denke bei dem Konflikt um das Hauptbanner von Taring Padi es geht um etwas viel Allgemeineres: Wenn wir die Konflikte zwischen Nord und Süd verstehen wollen, müssen wir uns auch mit den Weltbildern befassen: viele Menschen in Nord und Süd haben die Vorstellung von dieser Art Weltherrschaft, wie sie in dem Großbanner „The Expansion of ‚Multicultural‘ State Hegemony“ gezeigt wird. Es geht auch in den lubung-Aktivitäten auf der documenta fifteen um Beschuldigungen, Tribunale – „Die mythologische Figur des Ogoh-Ogoh stellt dabei die Beschuldigten dar“, so documenta fifteen. Linke und Antiimperialisten international haben diese Bilder im Kopf oder haben sie als Bilder ausgemalt. Zum Beispiel Carlos Latuff: die Bösen, mit Zähnen, Waffen, Fratzen, Blutsauger.

In Deutschland gibt es einen Gegentrend, der diese Sichtweisen kritisiert und strukturelle Zusammenhänge, anonyme oder unpersönliche Herrschaft und Technologien kritisieren will. Das ist eine direkte Folge der Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Stürmer-Stil. Die Idee der „Plutokraten“ ist eben auch eine ­Herrschaftskritik gewesen, die Ziele der Emanzipation zerstörte. Taring Padi thematisiert ja andererseits die Rechte der ­Indigenen Papuas, die von der Hegemony of Java unterdrückt werden. Hier reiben sich die unterschiedlichen Vorstellungen von Herrschaft und Gewalt.

Michael Sauter, Bremen

Abgehängt

„Schweinerei auf Bildern“,

taz vom 21. 6. 22

Über Kunst lässt sich sowieso streiten. Nur bei dem endlich abgehängten Bild des indonesischen Künstlerkollektivs kann man nur froh sein, dass es hoffentlich für immer beseitigt ist. Wenn die Karrikaturen Bezug nehmen zu in Indonesien verbreiteter Symbolpolitik (wie behauptet), frage ich mich, ob man dort von geschichtlichen Ereignissen in Deutschland nichts mitbekommen hat. Und die Gruppe fühle sich missverstanden! Einer unbekannten Gruppe aus Indonesien die Kuration über die Documenta zu überlassen, ohne dass der Veranstalter genauer hinsieht, was da so aufgehängt wird, ist zudem ziemlich blauäugig und nicht gerade gescheit.

Claudia Rieg-Appleson, München

Konsequenzen

„Waterloo der Postkolonialen“,

taz vom 21. 6. 22

Der Vorwurf des Antisemitismus wird leider zunehmend inflationär verwendet, so dass die diesbezügliche Aufklärung mitunter bedenklich entwertet wird. Der ausgemachte Antisemitismus auf der Documenta 15 indes ist ein Skandal mit geradezu unverschämter Ansage. Ja gewiss, die Kunst ist frei. Frei dafür, um Fragen aufzuwerfen, um zum differenzierten Nachdenken anzuregen, um Antworten zu suchen und/oder zur Disposition zu stellen.

Wenn Kunst jedoch, wie nun öffentlichkeitswirksam, stereotyp wie infantil bis zum Erbrechen dargestellt, ausschließlich beleidigen, wüten und hassen will, erfüllt sie nicht nur keinen kulturellen Anspruch; es sind ohne Wenn und Aber strafrechtliche Konsequenzen zu prüfen. So frei sollten und müssen wir als aufgeklärte Gesellschaft sein.

Matthias Bartsch, Lichtenau

Grüne, mehr Mut!

„Was ist nur mit der FDP los?“,

taz vom 18. 6. 22

Rentner sollen frieren, während riesigen Geschäftswagen steuerprivilegiert der Sprit förmlich aus dem Auspuffrohr tropft. Und all das nur, weil Grüne zu feige sind, dem liberalen Wurmfortsatz ein – von Vernunft und Umfragemehrheit – gefordertes Tempo 130 abzutrotzen. Empfehlung: esser gar nicht regieren als mit der FDP rbegieren – und Grüne, habt doch nicht immer so die Hosen voll! Klar sprechen und fest auftreten – Grüne brauchen weder Neuwahlen noch die 5-Prozent-Klausel zu fürchten. Andere schon. Klaus-Joachim Heuser, Gütersloh