taz-Thema der Woche

Große Verleitung

■ betr.: „Oberleitungen für Autobahnen“, taz vom 5. 6. 12

Die taz nennt es einen ungewöhnlichen Vorschlag und er basiert auf „Expertenschätzungen“: Verdopplung des Güterverkehrs in den nächsten 40 Jahren. Man sollte diese Menschen wenigstens nicht mehr „Experten“ nennen. Ich bezeichne sie als gefährliche Spinner, die rein gar nichts kapiert haben. Stichwort Rio+20 – ganz aktuell – oder die hinlänglich bekannten Geschichten vom Krabbenpulen oder von der Herstellung eines Joghurtbechers: Wir wissen doch mittlerweile alle, dass es so nicht weitergehen kann. Wie lange noch kann und darf sich Lobbyismus dem entgegenstellen? DIETER STOMPE, Erfurt

■ betr.: „Weitere Leitungen sind möglich“, taz vom 2./3. 6. 12

Schön, dass in der taz ein Experte zu Wort kommt und der Debatte um die teure Energiewende etwas entgegensetzt. Es wäre auch vernünftiger, wenn sich die Bundeskanzlerin mit Experten zum „Energiegipfel“ treffen würde als nur immer mit den Managern der vier großen Energieversorger. Für die VerbraucherInnen ist jedoch vor allem der dezentrale Ausbau der erneuerbaren Energie interessant; Windanlagen an Land, Photovoltaik oder Biogasanlagen lassen sich von BürgerInnen oder Kommunen in eigener Regie errichten, da benötigt es wesentlich weniger Stromtrassen. HELGA SCHNEIDER- LUDORFF, Oberursel

■ betr.:„Oberleitungen für Autobahnen“, taz vom 5. 6. 12

Halten wir fest: Wir haben noch immer ein weitverzweigtes und leistungsfähiges Bahnnetz. Trotz jahrzehntelanger Bemühungen des Abbaus. Es mag an manchen Stellen massive Kapazitätsengpässe geben – aber das soll nicht lösbar sein? Stattdessen sollen 5.000 (!) Kilometer Autobahn eine Oberleitung zur Energieeinspeisung für Lastwagen erhalten. Man kombiniert die Nachteile des Lkw-Verkehrs mit dem Aufwand der Streckenelektrifizierung.

Die Vorteile des Rad/Schiene-Systems liegen beim Rollwiderstand, der nur ein Zehntel des Luftreifens ist, und in der sicheren Spurgebundenheit. Dazu kommt die vorhandene, aufwändige Signaltechnik und Zugbeeinflussung, wodurch die Sicherheit drastisch verbessert wird. Die „Flexibilität“ des Lkw entsteht dadurch, dass für einen bestimmten Aktionsradius ein Energievorrat im Tank mitgeführt wird. Die Schwachstelle ist zumeist der Mensch – daran würde sich nicht allzu viel ändern. Wie viele Lkw könnten auf dieses System bis wann gebaut oder umgebaut werden: elektrisches Antriebssystem plus „leistungsstarker“ Dieselmotor plus konventionelle Energiespeicherung (Dieseltank). Zu welchen Kosten, von wem finanziert? Wenn man umweltschonenden Transport wirklich will, dann führt kein Weg an einem zügigen und sinnvollen Ausbau der Schieneninfrastruktur und an der Entwicklung effizienter Umladesysteme vorbei. ERWIN BOSAK, Schorndorf

■ betr.: „Weitere Leitungen sind möglich“, taz vom 2./3. 6. 12

„Wenn wir den Strom dezentral und regional erzeugen, dann werden wir energieautonom und brauchen keine neuen Hochspannungsleitungen.“ Das hört man immer wieder von Freunden erneuerbarer Energien (EE). Sie beruhen aber auf einem Kurzschluss: Eine Region kann durchaus im Jahresdurchschnitt zu 100 Prozent mit Strom aus EE versorgt werden. In der berüchtigten kalt-trüb-windstillen Winterwoche sind aber die regionalen Speicher in kürzester Zeit leer und der Großteil des Stroms muss aus anderen Regionen oder auch Ländern importiert werden. Diese Durchleitung von Strommengen ist bei der bisherigen Energiestruktur nicht notwendig, da die Kohle- und Atomkraftwerke meist regional verteilt sind und in einem Bundesland daher nie gleichzeitig alle Kraftwerke ausfallen. Für 100 Prozent Strom aus EE braucht man aber einen massiven Ausbau der Hochspannungsnetze und den Bau eines Gleichstrom-„Supergrids“ oder teure Speichertechnologien.

Bundesregierung und Netzagentur gehen von einer Umstellung auf 100 Prozent EE-Strom bis 2050 aus und nicht bis 2030, wie viele Umweltschutzverbände. Wenn 2020 oder auch 2030 noch ein Großteil regional verteilter Kohle- und Gaskraftwerke laufen, braucht man viel weniger neue Leitungen, als wenn sie schon abgeschaltet sind. Es ist legitim, jede einzelne Leitung kritisch zu hinterfragen, nicht aber die Netzausbaunotwendigkeit als solche, wenn man einen Umstieg auf nahezu 100 Prozent Strom aus EE wirklich will. HORST SCHIERMEYER, Zittau

■ betr.: „Oberleitungen für deutsche Autobahnen“, taz vom 5. 6. 12

Oberleitungen für elektrisch betriebene Lkw halte ich für den vollkommen falschen Ansatz. Vielmehr müsste die Arbeitsteilung bei der Herstellung von Gütern geändert werden, damit Güterverkehre an sich reduziert, Wegelängen begrenzt und soweit es geht auf Schiene oder Schiff verlagert werden. Dem von exzessiven und teilweise überflüssigen Lkw-Fahrten geprägten System durch flächendeckende Oberleitungen und Stromzuführungen hinterherbauen zu wollen, ist weder ökologisch noch finanziell gerechtfertigt.

Der Lkw hat unbestreitbar den Vorteil, flexibel einsetzbar zu sein und mit vergleichsweise wenig Infrastruktur auszukommen. Lastwagen mit kombiniertem Elektro- und Dieselmotor hingegen würden immer eine jeweils gerade nicht benötigte Antriebskomponente mit sich herumschleppen. Hinzu kämen immense Kosten für den laufenden Betrieb der Leitungen, Masten, Umspannwerke.

Nicht zuletzt: Der Rollwiderstand eines Straßenfahrzeugs ist bedeutend höher als bei einer Schienenbahn. Es mutet befremdlich an, dass letztlich utopische Projekte wie Lastkraftwagen mit Stromabnehmern solch eine Publizität erlangen, während es unendlich schwer ist, die wirkliche Elektromobilität voranzubringen: den Ausbau und die Elektrifizierung von Bahnstrecken, wo sich die elektrische Energie um ein vielfaches effizienter nutzen lässt.

HANSJÖRG BEYER, Berlin

■ betr.: „Oberleitungen für deutsche Autobahnen“, taz vom 5. 6. 12

Die sieben ProfessorInnen des „ Sachverständigenrates für Umweltfragen“ scheinen nicht einmal zu wissen, dass es in Deutschland schon etwa 20.000 Kilometer elektrifizierte Strecken, etwa 60 Prozent aller Strecken, gibt, auf denen auch Güter transportiert werden. Sie sollten sich Gedanken machen, wie dieses Potenzial an umweltfreundlichen Transportwegen effizienter genutzt werden kann!

Die Bahn könnte noch mehr leisten, wenn die Regierung sie nur ließe, aber die DB muss 500 Millionen Euro Gewinn jährlich an den Staat abführen, der damit die Kosten der Lkw-Flut auf deutschen Straßen subventioniert, weil diese nur eine Kostendeckung von etwa 40 Prozent erreicht. Damit sich das rechnet, soll der Ökostrom für die Lkws subventioniert werden, das Geld kommt von den Steuerzahlern, die auch den Bau dieses Aprilscherzes werden bezahlen müssen. 5,4 Millionen sind schon weg für Enuba, die schöne Tochter des Sachverständigenrats. Die ist teuer, exotisch, verführerisch, lädt zum Träumen ein. Von Millionen, eher Milliarden, Umsätzen! Der richtige Name der Schönen klingt aber nicht so „grün“: „Elektromobilität bei schweren Nutzfahrzeugen zur Umweltentlastung von Ballungsräumen“. Mensch könnte auch sagen: Ballaballa, aber das verstünde ja jede und jeder!? OBBE BAHNSEN, Rimbach

■ betr.: „Weniger Leitungen sind möglich“, taz v. 2./3. 6. 12

Man kann Holger Krawinkel nur beipflichten. Bei uns in Bayern hat die Partei der Atomkraftbefürworter, die CSU, einen Wandel in der Energiepolitik immer blockiert. Dies kam auch in der Äußerung des damaligen Ministerpräsidenten Stoiber zum Ausdruck. Der sagte doch tatsächlich: „Wir in Bayern brauchen keine Windräder, hier weht kein Wind.“ Herr Stoiber hat viel Unsinn geredet, aber der war wohl der größte.

FRIEDRICH MÜLLER, München

■ betr.: „Oberleitungen für Autobahnen“, taz vom 5. 6. 12

An deutschen Freileitungen sterben jährlich Jahr 30 Millionen Vögel durch Drahtanflug, das sind 400 bis 700 Tiere pro Kilometer Leitungen. (Siehe die Studien von Rens Heijnis 1980, Heinrich Hoerschelmann 1988 und Klaus Richarz 1998.)

5.000 Kilometer neue Oberleitungen für Autobahnen würden damit jährlich 2 bis 3,5 Millionen Tieren zusätzlich zum Verhängnis werden. INGO RENNERT, Müden an der Aller

Enuba klingt verführerisch wie eine ägyptische Schönheit, ist aber nur das Kürzel für „Elektromobilität bei schweren Nutzfahrzeugen zur Umweltentlastung von Ballungsräumen“. Die Bundesregierung finanziert Großkonzerne und Universitäten zur Entwicklung milliardenschwerer Elektrifizierungsprojekte im Straßenverkehr.

Unter anderem wirbt Siemens jetzt mit seinem Pilotprojekt, Lastwagen an Oberleitungen zu hängen. Die Teststrecke der O-Lkw liegt in Brandenburg. Bei der Umsetzung des Projekts würden Oberleitungen unter anderem entlang der Autobahnen geführt.

Die meisten LeserInnen der taz sind von diesem Projekt nicht überzeugt. Ebenso wenig von den weiteren Stromleitungstrassen, die quer durch die BRD gezogen werden sollen.