Ohne Alkohol und langsamer am Steuer

Die grünen Verkehrspolitiker wollen die Straßen in Deutschland sicherer machen und Unfälle vermeiden. Dafür sollen Promillegrenze und Tempo runter. Die Vision: Die Zahl der Verkehrstoten von derzeit knapp 6.000 im Jahr zu senken – auf null

VON HANNA GERSMANN

Jeden Tag sterben in Deutschland 16 Menschen bei Verkehrsunfällen. Eindeutig zu viel, befindet die grüne Bundestagsfraktion. Ihr Vorschlag: Deutschland nimmt sich zum Ziel, die Zahl der Verkehrsopfer bis 2010 unter 3.000 jährlich zu drücken. Bis 2020 soll diese Zahl nochmals halbiert werden. Wie? Darüber debattierte die Fraktion gestern auf einer Fachveranstaltung in Berlin. Es war das erste Mal.

„Vision Zero“ nennen die grünen Verkehrsexperten ihr Konzept für eine neue Sicherheit. Bislang hatten die Politiker in Deutschland, dem „Land der freien Fahrt für freie Bürger“, eine solche Debatte ignoriert. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) hat schon letztes Jahr einen Plan „Null Verkehrstote“ erarbeitet.

Auch die Europäische Kommission verspricht, die Unfallopferzahl in den 15 alten Mitgliedstaaten zu senken– von 40.000 im Jahre 2001 auf 20.000 bis 2010. Das macht finanziell Sinn: Die Brüsseler Beamten beziffern den volkswirtschaftlichen Schaden durch Verkehrsunfälle derzeit auf satte 160 Milliarden Euro pro Jahr.

Doch Deutschland hinkt hinterher. VCD-Sprecher Daniel Kluge rechnet vor: „Das Risiko, bei einem Verkehrsunfall verletzt zu werden, ist hierzulande dreimal höher als beispielsweise in Frankreich.“ Das Nachbarland ist vorbildlich: Präsident Jacques Chirac hat die Verkehrssicherheit zu einer Priorität seiner Politik erkoren. Prompt ist dort die Zahlen der Verkehrstoten innerhalb der letzten zwei Jahre um 26 Prozent gesunken. Deutschland erreichte im selben Zeitraum gerade mal 5 Prozent, wenn auch auf niedrigerem Niveau.

Die Grünen wollen die Gefahren auf der Straße jetzt deutlicher mindern – und empfehlen dafür verschiedene Maßnahmen. So wollen sie für Fahranfänger ein Alkoholverbot durchsetzen. Womöglich soll die derzeitige 0,5-Promille-Grenze auch generell auf 0,2 abgesenkt werden. Denn: Derzeit verschulden betrunkene, vor allem junge Fahrer 10 Prozent aller Unfälle.

Zudem sollen „Mautausweicher“ von den Landstraßen verbannt werden. Viele Laster nehmen derzeit Umwege in Kauf, um den modernen Wegezoll auf Autobahnen zu umgehen. „Schleichwege müssen in die Mautpflicht einbezogen werden“, so der Grüne Albert Schmidt. Auf Landstraßen passieren zwei Drittel aller tödlichen Unfälle.

Bei einem Tempolimit geben sich die Grünen indes verhaltener. Schmidt: „Ich bin gegen die Neuauflage einer ideologischen Debatte.“ Die Idee „namhafter Professoren des Verkehrswesens“, das Tempo auf Autobahnen auf 130 Kilometer pro Stunde zu begrenzen, hält der Grüne aber für „diskussionswürdig“. Dabei gehen britische Wissenschaftler davon aus, dass 5.000 Leben europaweit gerettet werden können, wenn die Geschwindigkeit nur um 3 Kilometer pro Stunde gedrosselt wird.

Mehr Sicherheitspolitik, mehr Schilder, mehr Kontrollen sind teuer. Der VCD hat deshalb auch einen Verkehrssicherheitscent gefordert – als Aufschlag auf die Mineralöl oder Kfz-Steuer. Die Grünen äußerten sich dazu nicht. Es passt nicht in die politische Landschaft, Autofahrer zur Kasse zu bitten.

Kein falscher Eindruck soll entstehen. Schmidt betont denn auch noch einmal: „Wir wollen Autofahrer nicht an den Pranger stellen.“

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