Fischers Offensive lässt grüne Freunde grübeln

Die Bereitschaft des Außenministers, Oppositionsführer zu werden, stößt nicht bei allen Grünen auf Begeisterung

BERLIN taz ■ Als der grüne Parteirat gestern in Berlin tagte, weilte der Außenminister auf Dienstreise in Warschau. So mussten seine grünen Kollegen zu Joschka Fischers Zukunftsgedanken Stellung nehmen, die er im taz-Interview geäußert hatte. Einige taten es sehr, andere deutlich weniger begeistert.

Parteichef Reinhard Bütikofer begrüßte ausdrücklich, dass sich Fischer vorstellen könne, im Fall einer Niederlage Oppositionsführer zu werden: „Auf diese Aussage habe ich eine Weile gewartet“, sagte Bütikofer, „ich freue mich sehr darüber.“ Umweltminister Jürgen Trittin dagegen hielt sich zurück: „Wir konzentrieren uns jetzt auf den 18. 9.“ Im Übrigen wäre es ihm „lieber, wenn Joschka Fischer weiter Außenminister bleibt“.

Kein Wunder: Dann müsste sich auch Trittin kaum Jobsorgen machen. Sollten die Grünen aber in der Opposition landen und sollte Fischer tatsächlich Fraktionschef werden, gäbe es nur noch einen Spitzenplatz zu vergeben: den zweiten Chefposten der Fraktion – und der wäre reserviert für eine Frau. Die Parteichefs Bütikofer und Claudia Roth sind bis 2006 gewählt.

Die anderen grünen Männer müssten sich ihre Karrierehoffnungen also erst einmal abschminken. Aber auch von den bisherigen Fraktionschefinnen Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt könnte höchstens eine im Amt bleiben. Wenn überhaupt. Sager und Göring-Eckardt wird zwar ein effizientes Management der Regierungsfraktion bescheinigt, durch mitreißende Reden sind sie jedoch weniger aufgefallen. Ganz im Gegensatz zu Bärbel Höhn, der grünen Spitzenkandidatin auf der NRW-Landesliste. Nicht unvorstellbar, dass sie die „linke Hälfte“ einer Doppelspitze neben Fischer werden könnte. Worüber sie natürlich selbst nicht sprach. Höhn sagte nur: „Joschka Fischer ist ein hervorragender Politiker, deshalb gibt es in jeder Situation eine wichtige Position für ihn.“

Über die Stimmung im Parteirat nach Fischers Kampfansage berichtete ein Teilnehmer: „Wenn es Leute gegeben hat, die damit nicht glücklich waren, dann hatten die ihre Gesichtszüge gut im Griff.“ Einige Grüne rätselten, ob Fischer seine Oppositionslust wirklich ernst meint. Die freie Wahl hat er wohl nur bei einem guten Wahlergebnis. „Wenn die Grünen bei unter 6 Prozent landen sollten, fällt es schwer, sich das vorzustellen“, hieß es. LUKAS WALLRAFF