„Es wäre Verrat, ohne Schröder als Kandidaten anzutreten“

Der Realismus der SPD bringt die Menschen nicht zum Träumen, analysiert Scholz&Friends-Werber Marc Schwieger. Auf Schlagworte wie Millionärsteuer zu setzen sei aber richtig

taz: Herr Schwieger, als Regierungspartei hat die SPD Steuern gesenkt. Jetzt mimt sie im Wahlkampf Robin Hood – und führt eine Reichensteuer ein. Ist das glaubwürdig?

Marc Schwieger: Glaubwürdigkeit ist für eine Marke selbstverständlich eine wichtige Frage. Für den Wähler ist das aber nicht alles. Er will Antworten auf Probleme, die er hier und jetzt sieht. Da scheint mir eine „Millionärsteuer“ der SPD nicht die schlechteste Antwort zu sein. Mit der Prägnanz des Begriffs kann sie Punkte machen.

Der Widerspruch bleibt.

Für politisch denkende Begleiter der Politik sicher. Für Parteigenossen und Wähler zählt auch anderes. Sie haben das Gefühl der Ungerechtigkeit. Dagegen etwas zu unternehmen wird mit einer Millionärsteuer sicher besser bedient als mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer. Der Wähler will wissen, ob die SPD das Lenkrad wieder in die Hand nimmt …

und damit zeigt: Wir sind lernfähig!

Eher: Wir haben verstanden! Lernfähigkeit ist dem Wähler kommunikativ ganz schwer zu vermitteln. Die Wähler wollen nicht mit zerknirschten Rechtfertigungen belästigt werden. Sie bestrafen zu viel Diskussion.

Bereitet eine linke Kehrtwende der Marke SPD Probleme oder der Marke Schröder?

Die Marke SPD und die Marke Schröder haben immer noch einen sehr hohen Deckungsgrad. Um das zu ändern, haben die Sozialdemokraten einen wichtigen Schritt gemacht: Sie haben den Parteivorsitz vom Amt des leitenden Angestellten der Republik getrennt. Das macht es leichter, zwischen dem desillusionierenden Alltag des Machers Schröder und dem utopischen Überschuss der Partei zu unterscheiden.

Pardon! Sieht die Arbeitsteilung für Franz Müntefering etwa den utopischen Part vor?

Sie können Willy Brandt nun mal nicht klonen! Müntefering hat gewiss nicht Brandts Charisma. Strukturell war die Entscheidung aber richtig. Es war nicht genug Zeit, die Vorteile dieser Ämtertrennung rüberzubringen. Das liegt an der Sandwichposition, in die die SPD geraten ist.

Zwischen einer Union, die massiv in die Mitte drängt, und dem kleinen Tiger Linkspartei?

Ja, für den SPD-Realismus wird es immer knapper. Es ist nun mal so: Wenn die Fragen komplizierter werden, fühlt man sich bei den einfachen, alten Antworten wieder wohl. Der Realismus der SPD, noch dazu der nach sieben Jahren Regierung, bringt die Leute nicht zum Träumen.

Ist der Kanzler Schröder noch der richtige Kandidat?

Für ein – wie wir das nennen – zero based redesign ist keine Zeit mehr. Es wäre verrückt, mit einem anderen Kandidaten ins Rennen zu gehen. Und Verrat an sieben Jahren Regierungsarbeit. Schröder würde als schlechter Verlierer betrachtet, der sich aus dem Amt stiehlt. Das kann ich nicht empfehlen.

Aber wie könnte Schröder punkten? Er ist doch mehr Wundertüte als Marke.

Schröder ist eine Marke. Er hat gezeigt, dass man sich im Brioni-Anzug um die kleinen Leute kümmern kann. Vor allem hat er sich kraftvoll vom patriarchischen und lähmenden Bild Helmut Kohls abgesetzt und einen frischeren Politikstil geprägt. Allerdings: Differenzierung allein genügt nicht. Man muss mit eigenen Inhalten punkten – und mit Erfolgen. Das ist Schröder sicher nicht ausreichend gelungen.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER