Mit Schröder dafür und dagegen
: KOMMENTAR VON CHRISTIAN SEMLER

Glaubwürdigkeit ist ein geschundener Begriff, vor allem, wenn er als Maßstab für politisches Handeln und für Politiker herhalten muss. Was allerdings die SPD-Programmatiker gegenwärtig unseres Glaubens für würdig erachten, überschreitet noch die Aufnahmebereitschaft des Gläubigsten der Glaubwürdigkeitshungrigen.

Wir alle wissen, dass veränderte Umstände neue Lösungen einschließlich jäher Kursänderungen verlangen. Dennoch sollte die Regierungspraxis ein Minimum an Konsistenz aufweisen. Wie aber finden wir ein inneres Band zwischen einer Politik, die sieben Jahre konsequent im Interesse der Begüterten handelte, und dem jetzigen Sinneswandel? Wie soll einem Bundeskanzler, der Profite wie Einkommen der „Bessergestellten“ sieben Jahre lang pfleglich behandelte, jetzt der neue Kurs des Abzwackens abgenommen werden? Und dies angesichts der Tatsache, dass die ökonomischen Rahmenbedingungen für politisches Handeln sich überhaupt nicht verändert haben?

Aus dieser Glaubwürdigkeitslücke findet nur heraus, wer den Irrtum begräbt, der Bundestagswahlkampf werde zwischen einer rot-grünen Regierungskoalition und einer schwarz-gelben Opposition geführt. Die SPD-Programmatiker suggerieren uns: In Wirklichkeit ist Frau Merkel an der Macht. Und Rot-Grün hat nur noch verlegenheitshalber auf der Regierungsbank Platz genommen, weil es das Verfassungsrecht nun mal so will. Eigentlich ist die Regierung aber schon lange Opposition. Fragt sich nur, warum der Kanzler und die SPD-Bundesminister nach der verlorenen Wahl in NRW nicht zurückgetreten sind und die Partei nicht mit einem neuen Programm und einem neuen Spitzenkandidaten in den Wahlkampf zieht.

Ach so, der Autoritätsgewinn im Wahlkampf kraft Regierungsamtes? Bei dem Versuch, den gegenwärtigen „Kanzler-Malus“ in einen „Bonus“ zu verwandeln, will Schröder gerade mit dem Versprechen punkten, dass er mit allem, wofür er bislang stand, nicht mehr zur Verfügung steht. Andererseits hält er alles für richtig, was er bisher getan – und was er unterlassen hat. Mit Schröder dafür und mit Schröder dagegen. Da gibt es noch ein kleines Vermittlungsproblem.