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Wenn die Realität die Berlin-Experience stört

Berlin-Mitte, 102.338 Ein­woh­ner*in­nen hat der Stadtteil Mitte des Bezirks Mitte. Touristische Haupt­attraktionen: Brandenburger Tor, ­Fernsehturm, Hackesche Höfe.

Es war vielleicht nicht die beste Idee, sich auf einen Kaffee in die Hackeschen Höfe vor das Kino Central zu setzen. So sehr ich diesen Spot mit seinen besprayten Wänden auch mag: Sobald die Sonne etwas wärmer scheint, wimmelt es hier nur so von Touris. Der Hof und seine „Street-Art“ scheinen in allen Reiseführern dieser Welt zu stehen – ein bisschen ranzig und kreativ-künstlerisch, wie man das von Berlin erwartet, aber ohne Kreuzberger Suff eben …

„Oh, eine kleine Seitengasse! Wie schön!“, höre ich eine aufgeregte Frauenstimme sagen. „Hier will ich ein richtiges Berlin-Foto.“ Ihr eher semiinteressierter Begleiter nickt, ein anderer Touri wird herbeigewunken, ja, er ist bereit, ein Foto zu schießen. Man stellt sich neben die bunten Graffiti, doch so richtig will das Foto nicht gelingen. Da steht ja tatsächlich ein echter Berliner Obdachloser direkt hinter ihnen, braune Bierflasche, zerrissene Klamotten. Was sucht der denn hier? Das Paar lächelt gequält. Wartet aber geduldig, dass er ganz langsam austrinkt und dann irgendwann doch weitertorkelt.

Erst jetzt kann das „echte Berlin-Foto“ geschossen werden. Zu viel Street will man schließlich doch nicht. Ruth Lang Fuentes