Bilanz mit Licht und Schatten

Der aktuelle „Jahreswirtschaftsbericht“ ist da. Weil das Zahlenwerk an sich wenig Optimismus versprüht, wurde es lyrisch (auf-)gebläht

Bremen taz ■ Bremens neuer Wirtschaftssenator Jörg Kastendiek (CDU) hat gestern einen „Jahreswirtschaftsbericht“ vorgelegt. Keine schlichte Bilanz des vergangenen Jahres, sondern eher ein Prospekt für die Zukunft: Im Titel sind die Jahre 2005-2006 genannt. Über weite Teile des 50 Seiten starken Hochglanz-Papiers werden die Erfolge der bremischen Politik zusammen mit Fördermöglichkeiten und Zielen der Wirtschaftspolitik dargestellt. Sätze wie „Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Bremen setzt auf Zukunft“ stehen da öfter, Wahrheiten wie „Bremen ist wieder attraktiv“ werden ungefiltert verbreitet. Obwohl Kastendiek mündlich durchaus einräumt, dass es „Licht und Schatten“ gebe.

Im Anhang des Papiers werden unter der Überschrift „Jahreswirtschaftsbericht 2004“ dann harte Fakten aus der Bilanz des vergangenen Jahres genannt, mit dem die Sanierungshilfe „abschließend“ ausgelaufen ist. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs in Bremen – das Papier nimmt den Zeitraum 1996 bis 2004 – insgesamt um 9,3 Prozentpunkte, das ist aber kein überdurchschnittliches Wachstum im Sinne des Sanierungszieles, sondern Bremen liegt damit unter dem Durchschnitt der alten Bundesländer (11,1). Fahrzeugbau, Schiffbau, Fischverarbeitung, Einzelhandel – die meisten Branchen melden schwierige Bedingungen. „Defizite hat die Stadt bei den Wissens- und Technikdienstleistungen“, wird da festgestellt, und während der Stellenabbau in den westdeutschen Ländern zwischen Juni 2003 und Juni 2004 insgesamt 1,5 Prozent betrug, stellte sich die Lage in Bremen mit minus 2,5 Prozent deutlich schlechter dar. Von den 7.100 abgebauten sozialversicherungspflichtigen Stellen entfallen allein 1.900 auf den öffentlichen Dienst und die Bereiche Erziehung, Gesundheit, Sozialwesen. Die bremische Industriekonjunktur blieb mit einem Wachstum von 2 Prozent deutlich hinter dem Bundesdurchschnitt (plus 5,4 Prozent) zurück.

Bei der Einwohnerentwicklung haben die Statistiker des Wirtschaftsressorts die Zahlen von Oktober 2003 und Oktober 2004 verglichen und kommen auf ein Minus von 88 Köpfen für das Bundesland. Hätten sie nicht nur das Foto des Wirtschaftssenators aktualisiert, sondern auch die vorliegenden Zahlen des Statistischen Landesamtes, wären sie für das Jahr 2004 auf ein Plus von 84 Köpfen gekommen – die stadtbremischen Erfolge werden durch die Probleme Bremerhavens auch bei dieser Kennziffer zunichte gemacht.

Überhaupt ist Bremerhaven das Problemkind des Landes. „Stärker als Bremen“ sei es von einer „Randlage“ gebeutelt. Doch der in Bremen beschrittene Weg sei richtig, solle in Bremerhaven nachgeholt werden. „Wir haben einen steinigen Weg vor uns“, sagt Kastendiek und zählt die staatlichen Investitionsprojekte für Tourismus auf – wohl wissend, dass die Tourismus-Erfolge Bremens in der Bilanz wenig Gewicht haben: „Kurzfristige Erfolge werden wir nicht erzielen.“

Kastendieks Fazit am Ende der fetten Jahre der Sanierungshilfe: „Das bremische Wirtschaftswachstum erholt sich leicht, bleibt allerdings noch hinter der Entwicklung des Bundesgebietes zurück.“ Die positive Entwicklung solle gleichwohl „verstetigt“ werden, formuliert Kastendiek, und auf die Nachfrage, wie das denn ohne die Sanierungshilfen möglich sein soll, erklärt er wortreich, hier gehe es um einen „Spagat“. kawe