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Wandern wie die Wikinger

Einst hat die Befestigungslinie „Danewerk“ Dänemark nach Süden gesichert. Heute liegt sie in Schleswig-Holstein – und wer sehen will, wie mächtig sie einst war, braucht Fantasie

Bedeutendes archäologisches Zeugnis: ein Teil des Befestigungswalls Danewerk Foto: Carsten Rehder/dpa

Von Harff-Peter Schönherr

Gras. Viele, die das Danewerk zum ersten Mal sehen, die alte Verteidi­gungslinie Dänemarks Richtung Süden, ihre Wälle und Gräben, erkennen nicht mehr als das: grüne Hügel. Ein paar seltsam geformte Mulden und Kuppen, das war’s.

Doch was sich hier in Schleswig-Holstein durch die Landschaft bohrt, von Hollingstedt im Westen bis Eckernförde im Osten, mit einer Gesamtlänge von 30 Kilometern, zwischen Rheider Au und Windebyer Noor, war einst ein mächtiges militärisches Sperrwerk. Und so idyllisch seine Relikte wirken, heute teils ein Naturschutzgebiet, so blutgetränkt sind sie zugleich.

1.500 Jahre reichen die Anfänge des Danewerks zurück, das auf dänisch Danevirke heißt. Dass es seit 2018 Unesco-Welterbe ist, hat nicht nur damit zu tun, dass es die Wikingerstadt Haithabu umfasst, sondern auch mit der langen Nutzung: Seit dem Spätmittelalter viele Jahrhunderte verlassen und verfallen, wurde es bis in die Neuzeit mehrfach reaktiviert, zuletzt vor dem Krieg von 1864 gegen Preußen und Österreich.

Wer dem Danewerk nur einen Kurzbesuch abstattet, setzt am besten beim Danevirke-Museum an, in der Nähe von Schleswig. Als fahlgrauer Container wirkt es derzeit zwar nicht sehr inspirierend, aber wo jüngst sein Alt- für einen Neubau abgerissen wurde – 2024 soll er eröffnen –, findet bis August eine gemeinsame Ausgrabung des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein und des dänischen Museums Sønderjylland statt. Wer eine solche Befundsicherung noch nie live erlebt hat, kann vom Zaun aus zusehen, wie Wissenschaft entsteht.

„Früher teilte der Wall Völker und Länder“, erklärt das Danevirke-Museum seine Aufgabe. Heute stehe er „für kulturelle Begegnung und Mehrkulturalität“, sei er eine „Brücke“ zwischen Deutschland und Dänemark. Mit dem ihm angeschlossenen Ärchäologischen Park ist das Museum selbst der beste Beweis für diesen Brückenschlag: Es ist ein deutsch-dänisches Projekt, zweisprachig, finanziert aus beiden Ländern.

Nur wenige Gehminuten vom Container-Provisorium entfernt ist ein 80 Meter langes Stück der letzten Ausbaustufe der Befestigungslinie freigelegt, der kilometerlangen Backsteinmauer, die Dänenkönig Waldemar I., der Große, hier im 12. Jahrhundert errichten ließ.

Ziegel wurden geplündert

Heute ist sie zwar nicht mehr so hoch wie einst, und auch nicht mehr so breit. Ihre heutige Front ist ihr einstiges Inneres, denn viele Ziegel fanden für Privatbauten Verwendung, als das Danewerk im 13. Jahrhundert aufgegeben wurde.

Aber wer Glück hat, kann hier Restau­rierungsarbeiten beobachten. Lustig sieht das dann aus. Auf manchen Vorsprüngen des zum Steinbruch gewordenen Mauerrestes liegen kleine Markierungs-Säckchen in Pink, Grün, Gelb oder Blau, manche mit Smileys drauf. Wer die Substanz eines Bauwerks dieser Größe sichern will, nachverfugen, braucht Erinnerungshilfen, wo man noch mal ran muss. Deutlich kontrastiert ergänzen moderne Backsteine die mittelalterlichen. Das sieht nicht schön aus und nimmt dem Ort Magie, aber so hat der Verfall weniger Chancen.

Hinkommen mit dem Bus: Linie 670 ab ZOB Schleswig 17 Minuten in Richtung Dörpstedt alle zwei Stunden, zwischen 12.35 und 16.35 Uhr stündlichmit dem Auto: A7 bis Abfahrt 6 Jagel, dann noch drei Kilometer bis Danewerk

Auch das Wiglesdor ist nicht weit, das Haupttor der Linie. Das Plateau der wikingischen Thyraburg ist schnell zu erreichen. Noch näher ist die rekonstruierte Schanze 14 aus den 1860ern, als das dänische Heer die Danewerk-Linie mit Kanonenstellungen aufrüstete. Besser aber, man hat Zeit. Und detektivischen Spürsinn. Es lohnt sich.

Wer heute das Danewerk entlangwandert, unternimmt eine Reise in die Vergangenheit. In eine Zeit der Sicherung von Territorien und Handelswegen. In eine Zeit harter Kämpfe, denn im 10. und 11. Jahrhundert musste das Danewerk zeigen, was es wert war. Und nicht immer galt die Festungslinie dem Schutz Skandinaviens vor dem Süden: Im Zweiten Weltkrieg ließ die Wehrmacht hier Panzergräben anlegen, betonierte Flak in den alten Wall, gegen einen Vorstoß der Alliierten von Dänemark nach Deutschland.

Wer heute das Danewerk aufspüren will, draußen in der Landschaft, braucht Fantasie. Holzpalisaden muss man sich vorstellen können, Feldsteinmauern, Wehrgänge, Zeugen von sieben Jahrhunderten Bauzeit. Die Seesperre bei Stexwig, in einer Furt über die Schlei. Die Unpassierbarkeit der Moore im Westen, wo jeder Wall, jeder Graben, jede Mauer unnötig war.

Vor den Museums-Containern wird ein Wikingerzelt aufgeklappt. Ob jetzt gleich das Bogenschießen losgeht? Kinderprogramm gibt es hier häufiger. Ein kleines 3-D-Wildschwein steht jedenfalls schon bereit, wohl als Ziel. Oder wird Thors Hammer aus Zinn gegossen? Wikinger hätten das gekonnt. Wir müssen es neu lernen.

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