brief des tages
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Interview mit Behindertenexpertin

„Wir sind doch alle irgendwie behindert“, taz vom 28. 5. 22

Nein, es stimmt einfach nicht, dass „wir alle irgendwie behindert sind“. Menschen mit Behinderung müssen sich tagtäglich in behindertenfeindlichen Strukturen mit Diskriminierungen auseinandersetzen. Wenn man sagt, dass dies alle Menschen betrifft, kehrt man diese Erfahrungen von Menschen mit Behinderung einfach unter den Teppich. Warum wurde keine behinderte Person angefragt? Es gibt genügend Organisationen der Selbstvertretung. Eine Person die mit oder für Menschen mit Behinderung arbeitet ist keine „Behinderten-Expertin“. Alleine schon diese Bezeichnung. Was soll das? Die Interviewte fühlt sich „inspiriert“, behinderte Menschen sind aber nicht dafür da, andere zu inspirieren. Ich bin wirklich geschockt, dass sich scheinbar niemand in der Redaktion mit der Thematik beschäftigt hat. Obwohl die Interviewte das Problem der Fremdbestimmung anspricht, kommt niemand darauf, dass das gerade wieder passiert: Statt MIT behinderten Menschen zu reden, wird wieder einmal nur ÜBER sie gesprochen.

Carolin Gravel, Köln