wortwechsel
: Scholz, der Krieg und seine Rede in Davos

Ist Bundeskanzler Scholz ein Zögerer und Zauderer oder macht er Appeasement-Politik? Wie glaubwürdig ist die deutsche Politik derzeit?

Bundeskanzler Olaf Scholz vor der Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt   Foto: Thomas Grabka

„Das größere Bild“ (Rede von Olaf Scholz in Davos, die deutsche Regierung und der Ukraine-Krieg, Etat für die Bundeswehr)

taz vom 26./27. 5. 22

Scholz und der Krieg

Dass der deutsche Bundeskanzler bezüglich des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine lieber vage bleibt und versucht, Putin nicht zu erzürnen (früher nannte man so was Appeasement-Politik …) wird täglich deutlich. „Putin darf den Krieg nicht gewinnen“, sagt er. „Die Ukraine darf den Krieg nicht verlieren“, sagt er, von Gewinnen spricht Scholz aber nicht und auch nicht davon, welche Ukraine er meint. Wenn von der heutige Ukraine nur noch die Westukraine übrig bleibt, wäre auch das die Ukraine. Wirklich absurd wird es beim Ausblick in die gar nicht so weite Zukunft. Eher früher als später werden die alten russischen Waffensysteme verbraucht sein. Was dann? Rechnet Scholz allen Ernstes damit, dass der Krieg bis dahin beendet sein wird? Wenn nicht, sagt man der Ukraine dann Danke und Sorry für ihren Kampf und überlässt das Land Russland? Oder liefert der Westen dann doch noch die benötigten Waffensysteme, was den Krieg für die Zivilbevölkerung nur noch schrecklicher macht, da die ukrainische Armee sich nicht gegen Russland und einen Genozid verteidigen kann? Der Eindruck ist da, dass Scholz und Teile Europas lieber mehr Blut vergießen wollen, anstatt massiv und effektive Hilfe zu leisten …

Jörg Wilhelm, Wiesbaden

Scholz in Davos

Bundeskanzler Scholz hat in Davos das dem Weltforum angemessene weltumfängliche Bild gezeichnet. Innenpolitisch allerdings steht er unter Druck von Kläffern der Koalition wie Opposition, die nicht einsehen wollen oder können, dass die Atomgroßmacht Russland nicht zu besiegen ist. Zur multipluralen Welt gehören mehr als die USA und Russland. Sie haben sich in der UNO der Stimme enthalten. Dass all diese Akteure in den kommenden 15 Jahren von der Welle des Klimawandels überrollt werden, hat keiner der großen Player auf dem Schirm. Deutschlands Beispiel, sollte es gelingen, hat nur Modellcharakter.

Klaus Warzecha, Wiesbaden

Das größere Bild

Da hat also Scholz das „größere Bild“ und ist richtig aufgestellt. Lächerlich! Wenn ein Kanzler derart große Erinnerungslücken hat, wie in der Warburg-Affäre, dann bastelt er sich ein Weltbild zusammen, wie es IHM passt, und da kann er dann schon mal wichtige Determinanten einfach „vergessen“. Egal, was bisher war, Unruhen Hamburg 2018, Warburg und jetzt aktuell sein „Zaudern“ gibt es auch ein größeres Bild von ihm, aber ein erbärmliches. Da helfen auch keine Sprüche wie: „Wer Führung bestellt …“ Putin hat in seinem KGB-Wahn ein Land grundlos überfallen und führt einen Vernichtungskrieg gegen Land und Leute. Und da soll man tatenlos zusehen und nicht weiter und gezielter helfen? Ich (Jahrgang 1952) war auch Kriegsdienstverweigerer und musste mich leider eines Besseren belehren lassen. Da braucht man gar nicht Beispiele aus der Erinnerung bemühen wie München 1938 oder andere, die mir als Historiker und Politologe zuhauf bekannt sind. Solange es Spinner und Schlächter gibt wie Putin, wird es keinen Frieden ohne Waffen geben, schon gar nicht mit willfährigen Handlangern im eigenen Land wie die unbelehrbaren Putinversteher: Schröder und die anderen bornierten Sozen oder die politischen Deppen der AfD. Klitschko hat gesagt: „Putin wird so weit gehen, wie wir es zulassen.“ Das sollte uns zu denken geben. Denn dann kommt der Krieg schneller zu uns, als wir es uns vorstellen können.

Karl-August Lehmann, Oberharmersbach

Zögerer und Zauderer

Es ist nicht nur ein Trauerspiel, sondern ein Skandal, wie Bundeskanzler Scholz politisch agiert und wie er sich Führung vorstellt. Im Gegensatz zu Annalena Baerbock und Robert Habeck, die viel besser ihre politische Handlungsweise kommunizieren und dadurch auch in Umfragen bedeutend besser dastehen als der Kanzler, ist Olaf Scholz ein Zögerer und Zauderer, der „aus der Zeit gefallen“ scheint. Auch seine Rede in Davos, auf die viele Menschen Hoffnung gesetzt hatten, war zutiefst enttäuschend! Ganz Europa und auch die USA verstehen den Regierungskurs von Olaf Scholz nicht mehr und Deutschland wird zunehmend in die Isolation getrieben. Und nach einem Waffenstillstand in der Ukraine wird Deutschland wohl von seiner Führungsrolle in Europa vorläufig abgelöst werden. Denn mit einem Land, das sich andauernd in Widersprüchen artikuliert, das taktiert und nur auf seine wirtschaftlichen Vorteile bedacht ist, will keiner mehr ernsthaft etwas zu tun haben. Ich schäme mich für dieses Land und für diesen unfähigen Bundeskanzler!

Thomas Henschke, Berlin

Zahnloser Tiger

Sanktionen im Ukraine Krieg gegen Russland bleiben kurzfristig ohne Wirkung, um Putin zum Ende des Kriegs zu bewegen. Es ist ziemlich egal – ob die Ukraine diesen Krieg nicht verlieren darf – oder Russland ihn gewinnt. Die Militärische Macht Russland und Europas Abhängigkeiten von Gas und Öl – macht das demokratische Europa zum zahnlosen Tiger. Die gravierenden strategischen Fehler in der Energie- und Außen- und Sicherheitspolitik der letzten 20 Jahre sind das Ergebnis – nicht von dauerhaftem Frieden, sondern genau das Gegenteil. Aus diesem Dilemma hilft auch der Wirtschaftsgipfel in Davos mit der Scholz-Rede und deutschen „Zeitenwende“ – ohne schwere Waffen für die Ukraine – nicht möglich über einen Frieden zu verhandeln. Der einige Westen, die Nato mit Finnland und Schweden macht Europa nicht automatisch sicherer. Die EU mit der Türkei und Ungarn – stehen nicht an der Seite der Demokratie, können aber alles blockieren.

Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg