„Diese Linksruck-Debatte ist verfehlt“

SPD Jan Stöß bringt eine neue Debattenkultur in die Partei, sagt der neue Vizelandeschef Fritz Felgentreu

taz: Herr Felgentreu, Ihr Kandidat Jan Stöß hat es geschafft: Er ist neuer Chef der Landes-SPD. Wie geht es jetzt weiter?

Fritz Felgentreu: Am nächsten Montag ist die konstituierende Sitzung des neuen Vorstands. Wir müssen einen Zeitplan aufstellen und den inhaltlichen Rahmen festklopfen. Die großen Themen sind schon auf dem Parteitag genannt worden: S-Bahn, Wohnen, Familienpolitik.

Sie sind Neuköllner Kreisvorsitzender, Ihr Spezialgebiet ist Integrationspolitik. Was soll sich dort künftig ändern?

Wir müssen viel besser werden bei der Förderung von Kindern und Jugendlichen. Das heißt zum Beispiel: weg von individuellen, hin zu institutionellen Lösungen. Die Bundesländer sollten mehr Freiheit haben: etwa weniger Kindergeld auszuzahlen und das frei werdende Geld in Schulen und Kitas zu investieren.

Das entscheidet nicht das Land.

Nein. Aber wir können das im Bund einbringen. Dafür werde ich mich starkmachen.

Hat der Konflikt über den Vorsitz die Partei geschwächt?

Eine solcher Machtkampf macht eine Partei niemals stärker. Natürlich ist es in den letzten Wochen auch zu Verletzungen gekommen. Die Frage ist jetzt, wie man dafür sorgt, dass diese wieder heilen. Das sehe ich als eine Aufgabe des neuen Vorstands. Und ich bin sicher, dass das gelingen kann. Wenn ich das Gefühl hätte, der Streit hat nur negative Auswirkungen auf die Partei, hätte ich ja nicht kandidiert.

Bei der Wahl zum 1. Stellvertreter sind Sie erst durchgefallen. Hat Sie das überrascht?

Ja. Bei der Wahl traten zwei Teams gegeneinander an: das Team Müller und das Team Stöß. Dass Stöß mit einer guten Mehrheit gewählt wurde, ich als Erster Stellvertreter nicht – das hätte ich anders erwartet.

Weil Sie als Vertreter der Parteirechten gelten und sich ein Teil der Basis von Stöß eigentlich mehr linke Positionen erhofft?

Bei der Wahl ging es nicht um ideologische Fragen. Im Gegenteil. Ich erhoffe mir von Stöß eine neue Stimmung, mehr Offenheit, alle Meinungen zuzulassen. Bisher hat man unsere Positionen oft aus Prinzip abgelehnt – nur weil sie aus Neukölln kamen.

Dann ist der „Linksruck“ in der SPD eigentlich ein Rechtsruck?

Ich halte diese Linksruckdebatte für verfehlt. Der neue Vorstand ist ein breites Team – manche Entscheidung fällt künftig vielleicht mehr links aus, manche weniger. Darum geht es nicht. Sondern um eine neue Kultur in der SPD, wo wieder die Kraft des Arguments zählt.

INTERVIEW: JULIANE SCHUMACHER