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Bitte sachlich bleiben!

betr.: „Fragwürdig, fehlerhaft, ungenügend“ (Nach einem Gerichtsbeschluss muss der Gentech-Konzern Monsanto eine firmeneigene Studie über die Gefahren des Genmaises MON 863 veröffentlichen), „Nicht von Ängsten leiten lassen“, Interview mit Udo Pollmer, taz vom 23. 6. 05

Während der in die Agro-Gentechnik-Forschung involvierte Wissenschaftler Gilles-Eric Seralini den Eilbeschluss zur Veröffentlichung der Daten aus der Monsanto-Studie MON 863 durch das Oberverwaltungsgericht Münster als Befreiungsschlag lobt und sich der Sachverständige der Bundesregierung, Professor Arpad Pusztai, erleichtert zeigt angesichts eines Endes der Verpflichtung zum Schweigen, predigt der fragwürdige Experte Udo Pollmer von den Vorzügen der Gentechnik.

Merkwürdig: Da gibt es das Gen-ethische Netzwerk e. V. in Berlin, den Evangelischen Entwicklungsdienst EED in Bonn, ganze Fachbereiche bei Greenpeace, Bund Naturschutz und den Anbauverbänden (Bioland, Naturland, Demeter usw.) – aber die kamen alle nicht zu Wort, stattdessen durfte Herr Pollmer die Gelegenheit nutzen, von den Problemen und Risiken der gentechnisch veränderten Lebensmittel abzulenken. Aber ich bin mir ganz sicher, dass dies ein taktisch wohl überlegter, provozierender Schachzug der taz-Redaktion war. In diesem Falle: gut gemacht!

JEANNETTE TRESSELT, Ismaning

Pollmer und mithin die taz erzeugen den Eindruck, dass BiosaatgutzüchterInnen säckeweise Saatgut ins Atomkraftwerk schaffen, um es dort zu manipulieren. Die mühsame und zeitintensive Arbeit des Züchtens versucht eher auf einen möglichst großen genetischen Pool der Vielfalt zurückzugreifen. Aus diesem werden positive Eigenschaften des Saatguts entwickelt.

Leider ist auch durch die hervorragende Arbeit der Agrokonzerne die biologische Vielfalt auf dem Rückzug. So wird unter Umständen auf die Schrotschussmethode radioaktiver Strahlung zurückgegriffen. Das ist sicher bei konventionellen Züchtungsmethoden der Fall, wo nur ein reduzierter genetischer Pool zur Verfügung steht. Nicht jedoch bei biologischer Züchtung.

Hier wird eher versucht, durch Ein- und Rückkreuzen der Eigenschaften von Wildarten Stabilität, Geschmack und Widerstandsfähigkeit zu erzeugen. Die Vernichtung „wilder“ und historischer Genpools und das gleichzeitige Vorantreiben der Gentechnik passen ins Programm der Agrokonzerne. RALF BINDEL, Bochum

Angesichts des Interviews „Nicht von den Ängsten leiten lassen“ stellt sich die Frage, warum die taz zu diesem Thema ausgerechnet Udo Pollmer befragt, dessen wissenschaftliche Seriösität – wie sich auch in diesem Interview zeigt – zweifelhaft ist. Nur die wichtigsten Falschaussagen möchte ich nachfolgend richtig stellen.

Die Mutmaßung, alle Nutzpflanzen seien durch „künstliche Gene aus der Atomwirtschaft“ verändert, ist falsch. Tatsächlich spielt Mutationszüchtung mittels Radioaktivität aktuell keine Rolle in der Pflanzenzüchtung. Erst recht gibt es keine Hinweise, sie würde bei Verzicht auf Gentechnik wieder zunehmen. Pflanzenzüchtung widmet sich hunderten von Acker- und Gartenkulturen, und die wichtigste Methode ist und bleibt die „klassische“ Kreuzung mit anschließender Selektion.

Falsch ist auch ist die Behauptung, Biobauern seien auf Sorten angewiesen, die mit radioaktiver Bestrahlung entwickelt werden. Zunächst nutzen Biobauern die gleichen Sorten wie ihre konventionellen Kollegen – nur gentechnisch veränderte Sorten sind dezidiert ausgeschlossen.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Monopolisierung des Saatgutmarktes – zuletzt durch die Übernahme des Saatgutunternehmens Seminis durch Monsanto – und der Abnahme der Sortenvielfalt züchten einige Initiativen Getreide und Gemüse speziell für die Ansprüche des biologischen Landbaus: Nicht nur Resistenzen, sondern Gesundheit, Geschmack und Widerstandsfähigkeit stehen als Zuchtziele im Mittelpunkt. Um diese Ziele zu erreichen, sind weder Gentechnik noch Mutationen mittels radioaktiver Bestrahlung erforderlich, sondern Kreuzung und Selektion unter den Anbaubedingungen des Biolandbaus.

Daneben bemüht sich der Biolandbau – gemeinsam mit anderen Initiativen – um die Erhaltung der gewachsenen Sortenvielfalt. Dieses Weltkulturerbe darf nicht verloren gehen, zumal es auch für die Züchtung eine zentrale Rolle spielt.

„Nicht von Ängsten leiten lassen“ ist eigentlich die einzig richtige Aussage des Interviews. Auf Saatgutzüchtung und Biolandbau angewandt hieße das: nicht ängstlich zusehen, wie die Gentechnik kommt und meinen, man könne doch nichts machen. Selbst wenn sie Eingang in die europäische Landwirtschaft findet, muss sichergestellt werden, dass auch künftig gentechnikfreie Landwirtschaft möglich ist.

Ein Gentechnik-Grenzwert für Saatgut an der Nachweisgrenze, wie von der Initiative Save our Seeds gefordert, ist hierzu ebenso wichtig wie die Einrichtung gentechnikfreier Regionen.

CORNELIA ROECKL, Zukunftsstiftung Landwirtschaft, Bochum

Viele Biobauern setzen sich aktiv für den Erhalt unserer genetischen Ressourcen – sprich alte Pflanzensorten und Tierrassen – ein. Hieraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass die Biobauern Wildsorten und Urkörner besonders bewerben. Bei der Lebensmittelerzeugung greift der Biolandwirt vielmehr auf Pflanzensorten zurück, die standortgeeignet und krankheitsresistent sind. Bei der Viehhaltung werden Tierrassen bevorzugt, die mit den besonderen Bedingungen des Biolandbaus wie Auslauf oder Biofutter gut zurechtkommen.

Da sich der Biolandbau aus der konventionellen Landwirtschaft entwickelt hat, greift der Biobauer auf die bestehenden, oft auf Hochleistung getrimmten Pflanzensorten und Tierrassen zurück. Auf die Bedürfnisse des Biolandbaus gezüchtete Sorten stehen bisher kaum zur Verfügung. Udo Pollmers Behauptung, Biobauern würden insbesondere auf Mutationszüchtungen zurückgreifen und die Konsumenten täuschen, ist somit unrichtig.

RALF ALSFELD, Bioland e.V.

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