Der nächste Fusionsreaktor ist auf dem Weg
: Zukunft auf Kosten der Gegenwart

Die großen Forschungsnationen der Welt haben sich nach 20 Jahren Verhandlungen auf ein Projekt zur Energieforschung geeinigt. Das klingt erst einmal gut. Es handelt sich um den Forschungsreaktor Iter und er wird in Frankreich gebaut. Beim Iter soll die Sonne in einem so genannten Fusionsreaktor nachgebaut werden, und die seltenen Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium dienen als Brennstoff. Wenn das jemals klappen sollte, ist das ein aufregender Schritt in der Technikgeschichte.

Allerdings kommt jede technische Errungenschaft zu einem Preis. Und der ist hoch bei der Fusionsforschung: 10 Milliarden Euro sind eingeplant allein für diesen einen Forschungsreaktor. Die Fusionsforschung schluckt damit weltweit etwa so viele Forschungsgelder wie die gesamten erneuerbaren Energien. Und die Erneuerbaren sind jetzt schon vorhanden und brauchen nur noch verbessert und verbilligt zu werden. Außerdem braucht man für erneuerbare Energien kein Tritium, das radioaktiv und ein wesentlicher Zündstoff für moderne Atombomben ist.

Nun ist es prinzipiell unredlich, die verschiedenen Forschungsgebiete gegeneinander aufzurechnen. Idealerweise werden alle interessanten Wissenschafts- und Technikpfade verfolgt. Doch in der wirklichen Welt ist es nicht so. Für die Energieforschung steht ein bestimmter Topf zur Verfügung. Die Fusion konkurriert also direkt mit der Forschung zu Regenerativen oder mit anderen Projekten. Und auch Frankreichs Präsident Chirac, der stolz und mit 900 Millionen Euro den Reaktor ins Land holt, kürzt nicht die Subventionen für seine Landwirte oder erhebt eine besondere Öl- und Stromsteuer. Unterm Strich gewinnt also mit dem Fusionsreaktor eine teure Großtechnik mal wieder Forschungsgelder auf Kosten dezentraler und vielfältiger Aktivitäten auf dem Sektor der erneuerbaren Energien und des Energiesparens. Das geht seit Jahrzehnten so und wird mit dem Iter-Beschluss auf weitere zehn Jahre festgezurrt. Das ist schade für den Energiemix Europas, schade für das Klima und schade für die Forscher und Firmen bei den Regenerativen. REINER METZGER