Frauen, versteckt im Inneren des Covers

KONZERT Die Surfband The Walkmen aus New York tut bei ihrem Auftritt im Roten Salon so, als sei 1965 nie vergangen

Zehn Jahre sind ins Land gezogen, bis diese vier Herren wieder nach Berlin kamen. 2002 haben sie noch vor einem mäßig interessierten Publikum im lange verblichenen Café Zapata gespielt. Am Montagabend spielten sie im ausverkauften Roten Salon. Vor einem Publikum, das die Band feierte. The Walkmen aus New York waren davon sichtlich angetan. Und steigerten sich in einen Spielrausch.

Wie Rod Stewart

Der Bassist, Walter Martin, trug Holzfällerhemd und Jackett, ein Herr in bestem Alter mit einer Strähne, die ihm im Gesicht hing. Er spielte punktgenau, was umso erstaunlicher war, als dass der eigentliche Bassist Peter Bauer krank zu Hause im Bett geblieben war. Der Mann im Anzug mit weißem Hemd und Krawatte vorn am Mikrofon hört auf den Namen Hamilton Leithauser. Er hat den Charme und das Aussehen des jungen Dennis Quaid und die Stimme eines Rod Stewart. Leithauser singt tatsächlich kraftvoll, und zwar so, dass man sich Sorgen machen muss – wie will der Mann so eine Tour bestreiten? Dem Aufwand nach müsste er nach jedem Konzert eine Woche lang heiser sein.

Aber es war auch nicht immer leicht für ihn. Gerade zu Beginn musste er noch gegen die windschiefe, immer leicht verwehte Surf-Gitarre von Paul Maroon (in feinem dunkelbraunem Hemd) ansingen. Maroon hingegen steigerte sich sukzessive in bislang unerreichte Höhen; er erspielte Wellen, die selbst Garrett McNamara, Bezwinger einer 24-Meter-Welle, nicht mehr surfen könnte. Anders ausgedrückt: Weswegen galt The Edge eigentlich so lange als guter Gitarrist? Er hätte noch viel lernen können hier. The Walkmen, an der Schießbude hinten ein besonnener, erst rudernder, dann zunehmend schlagfester Matt Barrick, spielen zeitlose Surfmusik. Rock ’n’ Roll, brillant oszillierend zwischen langsam und schnell, gefühlvoll und energetisch, sie veröffentlichen in schöner Regelmäßigkeit Alben, das neuste heißt „Heaven“ und klingt auch so, und hört man allein Stücke wie „Angela Surf City“ vom vorletzten Album, ist man schnell geneigt, alles andere auszublenden. Es gibt keinen modischen Schnickschnack, es hat nie elektronische Musik gegeben; da draußen und hier im angemessen plüschigen Roten Salon rennen keine Hipster mit Jutebeuteln und Mitte-No-Ass-Jeans herum, niemand trägt hier Plastiksonnenbrillen aus den achtziger Jahren, nein, es ist noch immer 1965, nur dass sich das Jahr 1965 unendlich in die Zukunft hinein ausgedehnt und entwickelt hat, in zum Beispiel genau diese Musik genau dieser Band.

Man fühlt sich gleich viel cooler. Die Europameisterschaft findet in weiter Ferne statt, die Stadt Berlin liegt an der Ostküste der USA. An der Ostküste? Dass The Walkmen aus New York kommen und nicht, wie es sich eigentlich für ihre Musik gehörte, aus Kalifornien, merkt man vielleicht an den melancholischen Nuancen, die sich durch ihre Stücke ziehen. Im Hudson River ist nicht gut surfen, und Montauk ist nicht immer erreichbar. Das Wetter ist auch einfach zu schlecht.

Auf der Rückseite ihres neuen Albums sieht man die Musiker als frauenlose Großfamilie mit Söhnen und Töchtern. Stolze Männer mit stolzen Kindern. Die Frauen verstecken sich entweder im Inneren (da habe ich noch nicht nachgeschaut). Oder sie sind einfach zu tief in die Musik eingeschrieben, um profan als Foto zu erscheinen. Nicht nur als Leigh (wie in „Song for Leigh“) oder Angela. Aus der Surf City.

RENÉ HAMANN