wortwechsel
: NRW: Das (un)heimliche Regime der Nicht-Wähler

An der Landtagswahl in NRW haben 45 Prozent der Wahlberechtigten sich nicht beteiligt – also fast die Hälfte. Warum? Wohin führt der Wahlverzicht die parlamentarische Demokratie?

Dieser Mann denkt, er hat ganz Nordrhein-Westfalen erobert. Ministerpräsident Hendrik Wüst am 16. 5. 22 vor der Sitzung des CDU-Bundesvorstands in Berlin Foto: Michael Kappeler/dpa

Mit Humor und Ironie

„NRW-Spezial vor der Landtagswahl“,

taz vom 13. 5. 22.

Alle Beiträge dieser acht Seiten sind gespickt mit jeder Menge hard facts, viel Hintergrundwissen und witzigen Details über NRW, über seine – erfundenen – Traditionen, Identitäten und Celebrities. Und das alles gespickt mit menschenfreundlichem Humor und feiner Ironie, ohne in die Schadenfreude eines abschätzigen Blicks von außen abzudriften.

Wunderbarer Stil und kreative Wortwahl – einer journalistischen Auszeichnung würdig, wenn ich das Sagen hätte.

Christel Adick, Münster

Danke, Nichtwähler?

„Nur 55,5 Prozent Wahlbeteiligung“,

taz vom 17. 5. 22

Während es vor der Wahl hieß, durch eine hohe Wahlbeteiligung könnte die AfD aus dem Landtag gewählt werden, legt die Wähler:innen-Wanderung nahe, dass Mobilisationspotenzial und Motivationsdefizit der eigenen Wählerschaft auch das niedrige AfD-Ergebnis erklären.

Wenn ein gutes Drittel von gut der Hälfte der Wahlberechtigten eine Partei wählt, kann man durch Bruchrechnung schnell erkennen, wie groß der bekundete Rückhalt ist.

Dort, wo eine geringe Wahlbeteiligung Standard ist, wären nun gewählte Kan­di­da­t:in­nen ironischerweise gut beraten, sich im stillen Kämmerlein bei den Nicht­wäh­le­r:in­nen zu bedanken.

Martin Rees, Dortmund

Mal anders gerechnet …

Hier das wirkliche Wahlergebnis der Parteien, die nun die Geschicke in NRW lenken – bezogen auf die Wahlberechtigten: CDU 19,8 Prozent, SPD 14,8 Prozent, Grüne 10,1 Prozent, FDP 3,3 Prozent, AfD 3,0 Prozent. Zusammen gezählt: 51 Prozent der Wahlberechtigten. Eine wahrscheinlicher werdende Regierung aus CDU und Grünen wurde gerade einmal von 29,9 Prozent der Wahlberechtigten gewählt – nicht einmal ein Drittel der NRWler will diese Politik. Angesichts solcher Zahlen muss man sich langsam fragen, ob eine derartige Regierung überhaupt eine demokratische Legitimation hat. Komischerweise spricht keiner der Politiker mehr von Politikverdrossenheit – obwohl die Wahlbeteiligung stetig sinkt. Die niedrige Beteiligung wird stattdessen geflissentlich verschwiegen, obwohl gerade dies das wichtigste politische Thema wäre.

Gerhard Schöttke, Uhingen

Ende der Linkspartei?

„Mit Wagenknecht in den Abgrund: Die Linkspartei verpasst in NRW deutlich den Einzug in den Düsseldorfer Landtag“, taz vom 15. 5. 22

Es liegt nicht an Sarah Wagenknecht – zusammen mit Oskar Lafontaine hat sie doch die Linkspartei erst groß gemacht. Es fehlt einfach der zündende Funke: ein schlüssiges Programm, neue Ideen für einen modernen Sozialstaat. Aber ihre Haltung zur russischen Invasion in der Ukraine hat ihrem eigenen Ansehen ungemein geschadet. Amthaler20 auf taz.de

Wählerflaute für die SPD

Für Scholz wird’s schwierig. Die SPD hat kaum etwas falsch gemacht, umso schmerzlicher ist ihre Niederlage. Auch im Bund wird es unbequem für Scholz. Die Ampel wackelt“, taz vom 15. 5. 22

Wahlsieger ist eigentlich die „Community“ der 45 Prozent Nichtwählenden. Die haben den etablierten Parteien den Stinkefinger gezeigt, weil sich durch Wahlen ja sowieso nichts ändert. Resto auf taz.de

Ganz viele Artikel zur NRW-Wahl, aber eine Sache hat nicht den Fokus bekommen: die dramatisch gesunkene Wahlbeteiligung. Bei nur noch 55 Prozent Wahlbeteiligung hat eigentlich keine Koalition irgendeine Mehrheit.

Thomas Keller, Königswinter

Die Ausgewanderten

„Ihr in NRW“, taz vom 14./15. 5. 22

Lieber Christoph Höhtker, danke für diesen Artikel über NRW! Sie haben großartige Worte für dieses Bundesland getroffen, mir aus der Seele gesprochen! Wunderbar beschrieben, wie alles (nicht) zusammenhängt! Das Lebensgefühl, das mir, als ebenso Gerettete, immer noch in die Knochen fährt, wenn ich, selten genug, „heim“ fahre – jetzt verstehe ich es.

Sabine Müller, geboren in Bielefeld

Wo genau war dieser Schriftsteller aus dem schweizerischen Genf in NRW nur unterwegs? Vermutlich kennt er inzwischen NRW nur noch aus den Medien. Ja, in NRW gibt es Moscheen, aber keine Gewerkschaftssiedlungen. Aber wir in NRW verfügen über bezahlbare Wohnungen in sauberen Siedlungen neben schönen Bürgerparks. Unsere Autostaus sind sicherlich vergleichbar mit den Staus um München oder Stuttgart, vielleicht sogar Paris oder Rom, da sind wir auf Weltklasse-Niveau. Warum wird hier Tönnies erwähnt und nicht Deichmann oder Aldi-Albrecht, deren Visionen den Menschen mit kleinem Geldbeutel den preiswerten Einkauf von Lebensmitteln und Schuhen ermöglichen? Und im schönen Bergischen Land wurde Friedrich Engels geboren, der den Kapitalisten auf die Finger schaute. Das ist NRW – und nicht die Schweiz. Allerdings haben wir in NRW ein herausragendes Problem: Die schlechte Presse … über uns.

Horst Pabst, Essen

Rent a Wüst?

„Großer Erfolg für Wüst“, taz vom 16. 5. 22

NRW, ist das dein Ernst?! Ein Drittel der Wähler schenkt einem Mann die Stimme, der durch aktives Handeln in der Rent-a-Rüttgers-Affäre bewiesen hat, dass er Politik ganz selbstverständlich als käuflich ansieht! Entweder wurde in den Medien die Rent-a-Rüttgers-Verstrickung von Wüst sehr erfolgreich verheimlicht. Was ein Schlaglicht auf die Medienlandschaft wirft, in der sieben große Verlegerfamilien in Nibelungentreue zur Union stehen und nur hin und wieder die öffentlich-rechtlichen Medien für Pluralität sorgen. Oder … den Bürgern ist es inzwischen egal, weil sie davon ausgehen, dass ohnehin alle Politiker korrupt sind und nur diejenigen Einfluss auf Politik nehmen können, die genug Geld haben.

Stefan Bluemer, Essen