berliner szenen: Eigentlich eine schöne Zeit
Ein paar Tage saß die Taube im Blumenkasten in der Sonne und checkte die Gegend, während ich nervös am Schreibtisch vor meinem Laptop saß und sie beobachtete. Manchmal stand ich vorsichtig auf. Dann war ihr Freund gekommen und sie hatten ein Nest gebaut. Ich hatte das Nest beseitigt und versucht, das Gelände mit bunten Wäscheklammern und einem kleinen Stoffhund als Vogelscheuche zu befestigen. Die Taube und ihr Freund, der weniger zu sagen hatte, störten sich nicht an meinen Abwehrmaßnahmen. Schnell bauten sie ein neues Nest. Ich gab irgendwann nach.
Eigentlich freute ich mich über ihre Anwesenheit, machte mir aber auch Sorgen wegen der Krähen gegenüber, die vor ein paar Jahren die ganzen Eichhörnchen vertrieben oder aufgefressen hatten. Ich fotografierte die schöne Taube, wie sie regungslos im Blumenkasten saß und den Hund anguckte und postete das Bild auf Facebook. Es gab 34 Likes und Kommentare; K. erzählte z. B. von acht Tauben in seinem Hinterhof und vermutete, dass zur Zeit eine Ringeltaubenplage herrsche. E. berichtete, dass Tauben gerne Löwenzahn mögen.
Irgendwann war ein Ei in dem Taubennest. Ich ersetzte es durch eine tropfenförmige Glühbirne. Eine Woche lang merkte die Taube nichts. Manchmal stand ich regungslos auf dem Balkon und gurrte Laute, die ich bei Wikipedia gefunden hatte. Es war eigentlich eine schöne Zeit.
An einem Vormittag gab es dann plötzlich eine kleine Versammlung auf meinem Balkon. Das Taubenpaar und ein dritter Vogel saßen bei dem Blumenkasten und guckten auf das Nest mit der Glühbirne. Sie unterhielten sich angeregt. War der dritte Vogel eine Krähe? Das kann eigentlich nicht sein. Alles ging schnell, dann waren sie weg und kamen nicht wieder. Detlef Kuhlbrodt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen