Bestechlich, aber redselig

Holger Pfahls gesteht, vom Waffenhändler Schreiber geschmiert worden zu sein. Er hofft auf ein mildes Urteil

AUS AUGSBURG MAX HÄGLER

Drei Achsen hat ein Fuchs und eine Pontonkarosserie, im Übrigen ist er nur teilgepanzert. Darauf legt der ehemalige Rüstungsstaatssekretär Holger Pfahls Wert. „Bei der Bundeswehr spricht man über das Ding als Auto.“ Über das Ding, oder genauer 36 Radpanzer vom Typ „Fuchs“, ihren durch Bestechlichkeit geebneten Weg nach Saudi-Arabien und nicht versteuerte Lieferprovisionen wird seit gestern im Augsburger Landgericht verhandelt. Nach Flucht und weltweiter Fahndung, nach Festnahme in Frankreich und Überstellung nach Deutschland steht dort Pfahls vor Gericht. Als Staatssekretär im Verteidigungsministerium hat ihn der Waffendealer Karlheinz Schreiber Anfang der 90er-Jahre mit insgesamt 3,8 Millionen Mark geschmiert. Unter anderem mit dem Auftrag, die Widerstände gegen die Lieferung von „Fuchs“-Spürfahrzeugen nach Saudi-Arabien in der Bundeswehr und der Bundesregierung abzubauen.

Es ist dieselbe Besetzung wie vor einem Jahr, als Max Strauß im Augsburger Justizzentrum verurteilt wurde. Da gibt es den jungen Staatsanwalt Staudigl und seinen bissigen Kollegen Wiesner. Und natürlich sind auch diesmal die Medien versammelt. Seit einem Jahrzehnt versucht man in Augsburg den Schiebereien und Schmierereien auf die Schliche zu kommen und das dunkle Schreiber-Netz aus Wirtschaft, Politik und Treuhandkonten zu entflechten.

Doch der Unterschied zum letzten Jahr: Der Angeklagte redet. Die Entgegennahme von 3,8 Millionen Mark hatte Pfahls bereits bei Vernehmungen im Vorfeld des Verhandlungsauftakts bestätigt – damit ist er das erste Mitglied der Regierung Kohl, das zumindest eine Vorteilsnahme eingeräumt hat. Ob es nur Vorteilsnahme war oder doch Bestechlichkeit – eine schwerwiegendere Tat im Sinne des Strafgesetzbuches – genau darüber muss das Gericht in den kommenden Wochen befinden. Dem Vorsitzenden Richter Maximilian Hofmeister geht es gar nicht so sehr darum, Pfahls lange Zeit hinter Gitter zu bringen – er will endlich handfeste Hintergründe zu Schreibers Waffendeals, die sich zwischen Airbus und Thyssen, zwischen bayerischer Staatskanzlei und Hardthöhe, zwischen Strauß junior und Strauß senior erstreckten und vielleicht auch weiter hinein in die direkte Regierungsebene, damals Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre.

Nicht so sehr Schuld oder Unschuld ist die Frage, sondern wie sehr er schuldig oder nicht schuldig ist. Wie sehr war Pfahls verstrickt, wer waren die anderen Kameraden bei den Waffengeschäften, wirkten Schreibers Zahlungen als Schmiermittel oder brachten sie gar Entscheidungen des Bundessicherheitsrats zum Kippen. Wer waren Pfahls’ Hintermänner bei seiner Flucht, und wieso reiste er wegen einer doch eher kleinen Straftat fünf Jahre um die Welt auf der Flucht vor den Zielfahndern des Bundeskriminalamts. Kein Wunder, dass Hofmeister mehr das große Ganze im Blick hat: „Mir kommt's mehr auf das Treuhandsystem an – ich habe noch mehr Verfahren.“

Möglichst viele Antworten will Richter Hofmeister finden, und zwar nicht im Schnelldurchlauf. „Das wird kein kurzer Prozess, aber auch kein übermäßig langer“, verspricht er. In Augsburg gebe man sich nicht mit einer Erklärung des Verteidigers zufrieden, „ich erinnere an einen Prozess gegen einen Herrn in jüngster Vergangenheit“. Schon damals – im Verfahren gegen Max Strauß – habe er als Richter ja öffentlich an Pfahls appelliert auszusagen. „Anders habe ich sie nicht erreicht, sie waren damals ein Phantom.“

Jetzt aber sitzt Pfahls vor der schwäbischen Anklagebank und verzieht keine Miene, wenn er als Phantom angesprochen wird. Ganz so wie man sich einen ehemaligen Geheimdienstchef vorstellt – in den 80er-Jahren war er ja einmal Präsident des Verfassungsschutzes. Und auch die Gepflogenheiten vor Gericht kennt er noch allzu gut, von seiner Zeit als Richter und Staatsanwalt in München. Lehrjahre, die in den Knochen stecken geblieben sind – als Erster springt Pfahls von der Bank auf, als Hofmeister einen Schöffen vereidigt. Mit ernster Miene hört er zu, als der schwäbische Unternehmer schwört, nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen. Als er das erste Mal an der Reihe ist, kommt der 62-Jährige ins Stocken: „Zuletzt wohnhaft in – äh – Holzkirchen.“ Die Anklageschrift gibt Singapur an.

Sonst aber redet Pfahls vier Stunden, ein wenig leise anfangs, aber mit erstaunlichem Detailwissen. Gesprächigkeit, die Richter Hofmeister belohnen will: Zwei Jahre und drei Monate hat die Kammer Pfahls angeboten, sollte er die „geständnisgleiche Einlassung“ wiederholen, die er in den letzten Wochen in Vernehmungen zu Protokoll gegeben hat und die er an dem ersten Prozesstag öffentlich wiederholt. Die Staatsanwaltschaft tut sich noch schwer mit dem Deal, auch wenn sie Pfahls zugesteht, „dass er als Erster aus dem Kreis der Beschuldigten die Mauer des Schweigens durchbrochen hat“. Immerhin hat sie aber nichts einzuwenden gegen die Zeugenliste der Verteidigung: Kohl, Genscher, Kinkel, Seiters und Schäuble sollen auftreten, um klarzustellen, dass Pfahls nur ein verbeamteter Staatssekretär war, ohne Möglichkeit zu eigenständigen Handlungen, also ohne Raum für Bestechlichkeit. 3,8 Millionen fürs unverbindliche Kümmern, darauf läuft die Taktik von Pfahls und seinen Anwälten hinaus: Zwei Millionen überwies Schreiber für einen „Fuchs“-Deal in die USA, 800.000 gab's für ein Placet beim U-Boot-Verkauf an Israel, und nach der Lieferung der Panzer an die Saudis überwies ihm Schreiber noch eine Extramillion: „Schreiber meinte zu mir: Ich hab am ‚Fuchs‘ gut verdient. Du kriegst auch was, ich tu's wieder aufs Konto, wenn du es brauchst, rufst du mich an.“ Eigentlich, so Pfahls, „wollte ich das gar nicht, aber der schafft es immer wieder, einen in zehn Minuten breit zu quatschen.“