England‘s Neid-mare

EM-FINALE Die deutschen Fußballerinnen zerlegten das britische Team in Einzelteile und feiern ihren fünften Titelgewinn in Folge

Der 6:2-Erfolg der deutschen Neid-Elf war ein echter Tiefschlag für die Kickerinnen von der Insel

AUS HELSINKI ANDREAS MORBACH

Das Transparent war schön zentral postiert. Genau in der Mitte der Gegentribüne hing das weiße Laken, auf dem in gefährlich roter Farbe die pfiffige Botschaft prangte: „10.9.09 - England‘s Nightmare“. Wobei das „Night“ sorgfältig durchgestrichen und durch die vier Buchstaben NEID ersetzt worden war. Beim Schlusspfiff des EM-Finals zwischen England und Deutschland prangte der Spruch noch immer auf der Tribüne - und die DFB-Auswahl mit ihrer Cheftrainerin Silvia Neid war wie angekündigt tatsächlich zum Albtraum für die Engländerinnen geworden.

Und zwar zu einem ausgewachsenen. Ein echter Tiefschlag war der 6:2- Erfolg der deutschen Fußballerinnen in Helsinki für die Kickerinnen von der Insel. Gegen einen kontinentalen Dauersieger - der gestrige Titelgewinn war der fünfte in Folge - sind die Gegner der DFB-Frauen Niederlagen gewöhnt. Andererseits war die erfolgreiche Verlängerung des Abonnements zumindest eine Stunde lang alles andere als ein Kinderspiel. „Ein Duell auf Augenhöhe“ hatte Bundestrainerin Neid richtig prophezeit.

Im Gegensatz zu den Norwegerinnen, die der DFB-Elf im Halbfinale vor allem mit enormem körperliche Einsatz das Fußballerinnenleben eine Halbzeit lang zur Hölle machten, hatten die Spielerinnen aus England neben ihrer starken Physis auch reichlich Tempo und Spielwitz zu bieten. Der beiderseitige Respekt war zu spüren, trotzdem entwickelte sich rasch ein ausgesprochen ansehnliches Fußballspiel. Die erste aufregende Szene - ein Freistoß der Engländerin Fara Williams einen Meter neben das Tor (9.) - resultierte noch aus einer Standardsituation. Anschließend jedoch kam richtig Fluss ins Spiel.

Anders als im Norwegen-Spiel machte die Neid-Elf diesmal den Anfang. Über Linda Bresonik, die nach der Hereinnahme von Simone Laudehr aus dem defensiven Mittelfeld auf die rechte Verteidigerposition verpflanzt wurde, trugen die Titelverteidigerinnen einen schnellen Angriff vor das englische Tor, den Birgit Prinz nach einem Pass von Inka Grings zum 1:0 nutzte. Es war der allererste Treffer der verunsicherten Rekordnationalspielerin bei diesem Turnier - und die Erleichterung über ihr gutes Timing war der 31-Jährigen deutlich anzusehen.

Inka Grings haute Prinz zur Gratulation einmal ordentlich aufs breite Kreuz, und zwei Minuten später ging es schon weiter mit der Gratulationstour. Diesmal nutzte Mittelfeldfrau Melanie Behringer den Leichtsinn der zu weit vor ihrem Tor postierten Keeperin Rachel Brown schamlos und baute die Führung mit einem Schuss aus 35 Metern in den Winkel umgehend aus. Damit überhaupt nicht einverstanden war aber vor allem eine Frau: Kelly Smith, die Topspielerin der Engländerinnen, die ihr außergewöhnliches Können nur weitere zwei Minuten nach dem Behringer-Coup unter Beweis stellte.

Auf der linken Seite narrte Smith hintereinander die deutschen Defensivkräfte Annike Krahn und Bresonik, schob den Ball Torhüterin Nadine Angerer dann auch noch frech unter dem Leib durch, so dass Karen Carney mühelos zum Anschlusstreffer vollenden konnte. Später musste Behringer nach einem Kopfball von Jill Scott noch auf der Linie klären (36.) - dann ging es in eine nicht minder unterhaltsame zweite Halbzeit, in der es erneut einen munteren Dreierpack gab.

Zwischen den Treffern lagen diesmal allerdings ein paar Minuten mehr. Zunächst stellte die 19-jährige Kim Kulig den alten Torabstand wieder her (50.), den gleichen Job übernahm für England danach die unermüdliche Kelly Smith mit dem 2:3 (55.). Die Torschleusen waren weit geöffnet - und sie blieben es bis zum Ende des Spiels.

Sieben Minuten nach dem Smith-Treffer traf Grings per Kopf zum fünften Mal bei dieser Endrunde, nach einer elfminütigen Verschnaufpause ließ die Duisburgerin dann ihre persönliche Nummer sechs folgen. Die Engländerinnen waren in ihre Einzelteile zerlegt - und wie sie da so lagen, durfte Spielführerin Birgit Prinz mit dem 6:2 in der 76. Minute den Albtraum schließlich beenden.