„So ein Protest lässt mich völlig kalt“

Kurt Biedenkopf war als Rektor der Ruhr-Uni mit den 68er-Protesten konfrontiert. Studiengebühren hält er für eine Investition in die Zukunft

taz: Herr Biedenkopf, vor 40 Jahren sollte die Ruhr-Universität die Hochschule der kleinen Leute werden. Heute steht ein Protestcamp mitten auf dem Campus. Studierende fürchten, dass Gebühren genau diese Leute von der Uni verscheucht.

Kurt Biedenkopf: Für mich sind Studiengebühren kein Widerspruch zu diesem Gründungsgedanken. Die allermeisten Studenten verdienen nach dem Studium deutlich mehr Geld als die Steuerzahler, die ihnen bislang das Studium ermöglichen. Das ist auch nicht sozial gerecht. Ein Studium ist eine Investition in die spätere Karriere – in anderen Ländern wird das längst so gesehen und Studiengebühren entsprechend als völlig normal empfunden. Und das Geld der Studierenden steigert schließlich die Qualität ihrer Ausbildung. Dahin müssen wir hier auch endlich kommen. So ein Protest lässt mich völlig kalt.

Auch die Studentenproteste 1968? Damals waren Sie Rektor, es ging also auch gegen Sie.

Bei uns war ja 1968 nicht besonders viel los. Wir waren schließlich die Universität der Arbeiter- und Angestelltenkinder, die Uni der Ruhrgebietsmenschen. Außerdem waren die Professoren noch jung, ich war gerade 36, uns konnte man nicht vorwerfen, dass wir etwas mit Hitlers Regime zu tun hatten. Mein Rektorat wurde trotzdem ein paar Mal besetzt.

Und was wollten die Besetzer?

Ein anderes Studium, an dem sie mehr beteiligt werden. Ich bin auf ihre Forderungen eingegangen und hab ihnen Räume zur Verfügung gestellt, unter der Bedingung, dass sie mich über ihre Ergebnisse informieren und ihren Dreck selber weg räumen. Das Ergebnis war, dass sie in ihren langen Grundsatzdebatten keine Ergebnisse erzielten. Aus meiner Sicht ein gelungenes Experiment.

Und wie bewerten Sie heute das Experiment Ruhr-Uni?

Eigentlich sind alle unsere Visionen Realität geworden. Wir haben für die Menschen im Ruhrgebiet eine Universität geschaffen: Das war ein sehr wichtiger Schritt für diese eher bildungsferne Region. Es gab innerhalb der Ruhr-Universität nie Widerstände gegen fächerübergreifende Zusammenarbeit, wissenschaftlich steht Bochum vor allem deshalb gut da. Die hochfliegenden architektonischen Ideen haben leider nicht ganz so funktioniert.

Wieso nicht?

Auf dem zentralen Forum in der Mitte zum Beispiel, da sollten sich die Menschen in ihren Pausen aufhalten, reden, sich austauschen. Es ist der einsamste Platz der Welt geworden und war das auch von Anfang an. Da ist man voller soziologischer Finesse an den Bedürfnissen der Menschen vorbeigegangen.

Was würden Sie heute anders machen?

Nichts Wesentliches. Die Ruhr-Universität hat bewiesen, dass sie ein Erfolgsmodell ist.

INTERVIEW: MIRIAM BUNJES