wortwechsel
: Von Tempolimit und Kriegsparteien

Der Freiheitsbegiff der FDP wirkt auf Le­se­r:in­nen absurd – vor allem, weil damit das Tempolimit ausgebremst wird. Deutschland liefert jetzt doch schwere Waffen in die Ukraine

Rush-Hour in Deutschland Foto: Paul Langrock

FDP-Freiheitsbegriff

„Das Tempolimit ist irrelevant“,

taz vom 22. 4. 22

Der Freiheitsbegriff der FDP ist moralisch wie intellektuell unterirdisch! Freiheit bedeutet da: mit 400 kmh über die Autobahn rasen, Menschenleben gefährden, das Klima versauen und Putins Krieg zu finanzieren. Er bedeutet, Andere mit Corana anstecken zu können, vulnerable Gruppen – und dazu gehören auch immungeschwächte Kinder und Jugendliche – vom normalen Leben zu verbannen und einzusperren. Aber die Freiheit, über den eigenen Körper bestimmen zu können, diese Freiheit verwehrt die Freiheitspartei FDP der Hälfte der Bevölkerung. Den Abtreibungsparagrafen will sie nicht ändern. Nur das Werbeverbot soll fallen. Wie soll Frau solche Heuchler ernst nehmen! Ich hoffe sehr, dass sie bei der nächsten Wahl unter 5 % fallen.

Marina Wandruszka, Hamburg

Lerneffekte

„Das Tempolimit ist irrelevant“,

taz vom 22. 4. 22

Das Tempolimit bringe für das Klima wenig und bedeute auch einen Zeit-und Freiheitsverlust, behauptet der FDP-Mann Köhler in einem Interview mit der taz. Diese Aussage eines 35-jährigen Politikers und „Klimaexperten“ seiner Partei mit einem derart abstrusen Begriff von Freiheit ist in diesen Krisenzeiten schon sehr erstaunlich. Mit diesem Blick auf die Welt haben alle Staaten in Europa und die fast gesamte übrige Welt, die seit Jahrzehnten Tempolimits eingeführt haben, nach Ansicht des Herrn Köhler irrelevante Maßnahmen ergriffen, obwohl viele Autofahrer, die außerhalb Deutschlands unterwegs sind, den langsameren Verkehrsfluss, die gelassenere Fahrweise, die erhöhte Sicherheit, die spritkostensparende Fahrweise ausprobieren konnten. Deutschland kann auf diesem Gebiet noch sehr viel von allen seinen Nachbarn lernen.

Jutta und Hans-Joachim Netzow, Husum

Achtung, Satire

„Das Tempolimit ist irrelevant“,

taz vom 22. 4. 22

Während der Freiheitsbegriff von Herrn Köhler vielleicht noch etwas diskus­sions­bedürftig ist, ist sein tiefgreifendes Verständnis der öko-sozialen Wende über jeden Zweifel erhaben. Sozial: Nur eine Senkung der Spritpreise ermöglicht den meist unter dem materiellen Existenzminimum lebenden Freiheitsliebhabern auf deutschen Straßen das unbeschwerte Genießen ihrer Freiheit, denn ab Tempo 200 und einem Verbrauch von 20 l/100 km sind die aktuellen Benzinpreise ja wirklich komplett unsozial. Öko: Tatsächlich geht der Klimwandel zu langsam – es bläst seit Wochen ein saukalter Nordwind, den kann man ruhig durch ein paar zusätzliche Auspuffgase anwärmen. Die Kompetenz und Konsequenz, mit der Herr Köhler das FDP-Parteiprogramm umsetzt, verdienen höchsten Respekt und treffen bei den Ampelkollegen offenbar auf marginalen Widerstand.

Frank Liepold, Durmersheim

Autofrei

„Kommt Zeit, kommt Rad“,

taz vom 18. 4. 22

Seit 1989 alle Wege mit dem Rad, kombiniert mit Bahn komme ich überall hin. Wozu ein E-Bike, wozu ein Lastenrad? Ich wohne in der Stadt, doch mein Radius ist weit, 20–30 Kilometer bei Wind und Wetter, oft mit schweren Büchertaschen. Noch nie wurde ich bedauert, immer nur bewundert. In den großen Korb passt eine Getränkekiste, früher saß ein Kind vorn, eines hinten. Ich habe das Auto nie vermisst. Unterwegs, bei Regen, singe ich oft.

Mechthild Goetze, Heidelberg

Skeptisch

„Gut für Mensch, Klima, Tier“,

taz vom 24. 4. 22

Obst und Gemüse ist grundsätzlich klimafreundlich? Abwägend kann man ja zum Ergebnis kommen, dass die eingeflogenen Bohnen aus Ägypten, Spargel aus Peru, Erdbeeren im Winter aus Werweißwo letzlich so wenige sind, dass sie den Vorteil nicht genug konterkarieren, so dass am Ende die Null-Mehrwertsteuer für alles Obst und Gemüse, egal woher, in Summe doch eine gute Idee erscheint, zumal 20 % auf Flugobst einfach technisch schwer umzusetzen sein dürfte. Aber dass es immer klimafreundlich ist, egal woher es wie transportiert wird, da wäre ich doch etwas skeptisch. Silke Karcher, Berlin

Fragwürdig

„Gut für Mensch, Klima, Tier“,

taz vom 24. 4. 22

Steuerfreiheit für alle pflanzlichen Lebensmittel ist doch sehr fragwürdig angesichts von Ausbeutung von Mensch und Umwelt beim Anbau von vielem Grünzeug, das wir hier verspeisen, zum Beispiel Soja aus abgeholzten Urwäldern, Wasserverbrauch ohne Ende für Avocados und fürs Gemüse aus Spanien. So einfach wie vorgeschlagen geht es leider nicht.

Christian von Hoffen, Berlin

Schwere Waffen

„Eine richtige Ausnahme“,

taz vom 26. 4. 22

Ach, es geht um die Verteidigung unserer Werte? In diesem Krieg geht es wie in anderen Kriegen um Macht und Interessen. Wir sind für Menschenrechte und Demokratie! Jawohl, Freiheit für Assange, der Kriegsverbrechen ans Licht brachte und dafür 175 Jahre büßen soll!

An dieser Stelle nur drei Feststellungen: 1. Wir drehen an der Eskalationsschraube kräftig mit. Sanktionen, verbale Ausschweifungen, Aufrüstung, Waffenlieferungen. 2. Ja, die Bilder, die uns die Ukrai­ne präsentiert, sind schlimm. Jeder Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden. 3. Putin droht mit dem Einsatz nuklearer Waffen, dem Atomkrieg. Und was tun wir? Wir antworten mit der Lieferung „schwerer Waffen“ – übrigens als einziges Land, das Panzer aus Nato-Produktion liefert, USA, Frankreich, England haben dies bisher nicht getan.

Andreas Macat, Wuppertal

Gegenwart

„Eine richtige Ausnahme“,

taz vom 26. 4. 22

Die SPD kommt stolpernd und schwankend, den Pazifismusquatsch der Gefolgschaft zögerlich überwindend, in der Gegenwart an. Mahatma Gandhi war 1930 nur erfolgreich, weil es in der Fleet Street in London eine freie bürgerliche, die Öffentlichkeit mobilisierende Presse gab. Die gab es 1989 anlässlich des Tinan’amen-Massakers in Peking genauso wenig wie heute in Moskau. Natürlich müssen wir die Provokation eines Dritten Weltkrieges vermeiden, nur wer sich nicht in Gefahr begibt, der kommt drin um.

Klaus-Joachim Heuser, Güterloh

David und Goliath

„Eine richtige Ausnahme“,

taz vom 26. 4. 22

Am Abend des 24. Februar waren sich alle einig: es wird höchstens drei Wochen dauern, dann hat Russland die gesamte Ukraine besetzt, Selenski und seine Leute verhaftet oder getötet und in Kiew eine Marionettenregierung eingesetzt. Doch die ukrainische Armee hat sich, von der gesamten Bevölkerung leidenschaftlich unterstützt, erfolgreich gewehrt und den russischen Vormarsch zunächst gestoppt.

Die Bewunderung für den Mut und die Entschlossenheit der Ukrainer darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier nach wie vor ein David gegen einen Goliath kämpft, und zwar ein David, der keine Steinschleuder hat, mit der er den Go­liath besiegen könnte. Der Westen tut jedoch so, als wären die jetzt auf den Weg in die Ukraine gebrachten schweren Waffen eine solche Schleuder, und die Ukrainer könnten damit die Russen besiegen. Die Russen werden in kürzester Zeit ihre Fehler bei der Vorbereitung des Überfalls korrigieren und dann mit ihrem Vorhaben, „die Herrschaft von Nazis und Faschisten in der Ukraine zu beenden“, blutigen Ernst machen.

Peter Bläsing, Bonn