„Die Leute spüren die Drohung“

Nach einem halben Jahr Hartz IV zieht der Kölner DGB-Chef Bilanz: Die Förderung der Arbeitslosen stecke noch in den Kinderschuhen, viele Anträge auf Ein-Euro-Jobs entsprächen nicht dem Gesetz

INTERVIEW SUSANNE GANNOTT

taz: Herr Uellenberg, am Anfang gab es auch in Köln große Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Hartz IV. Läuft Hartz in Köln inzwischen nach Plan?

Wolfgang Uellenberg-van Dawen: Es stimmt, es ist gelungen, die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II sicher zu stellen – dank des Engagements der Beschäftigten bei Sozialämtern und Arbeitsagentur. Auch das Problem mit den Wohnungs- und Heizkosten scheint weitgehend geregelt zu sein. Und es wird noch nicht verlangt, dass Leute umziehen. Das liegt aber vor allem am angespannten Kölner Wohnungsmarkt. Das Fördern dagegen steckt erst in den Anfängen. Ich habe auch von Unmut über Arbeitsberater gehört: Es gibt welche, die sich viel Mühe geben, um die Leute zu beraten und ein Profil zu erstellen. Es gibt aber andere, die einfach nur ankreuzen und nach einer Viertelstunde ist der Fall erledigt. Ob das Einzelfälle sind, ist unklar.

Wie klappt denn Ihre Zusammenarbeit mit Stadt und Arbeitsagentur im ARGE-Beirat, der die Ein-Euro-Jobs kontrollieren soll?

Das läuft ganz gut. Herr Ludwig, der Geschäftsführer der ARGE, legt uns immer gleich die Anträge der Beschäftigungsträger auf Ein-Euro-Jobs vor. Dabei hat sich allerdings herausgestellt, dass viele Anträge noch nicht den Anforderungen des Gesetzes entsprechen. Weil man sich nach dem Gesetz mit so einem Antrag schon etwas Mühe geben muss. Wir gucken genau so scharf drauf wie die Vertreter der Wirtschaft, dass diese Jobs keine reguläre Arbeit verdrängen. Deswegen war ich auch sehr verärgert über den Vorschlag von Josef Müller (CDU), der vollmundig verkündet hat, nun setzen wir mal ein paar tausend Ein-Euro-Jobber ein, damit die unsere Stadt sauber halten.

Warum sollen die Arbeitslosen eigentlich nicht fürs Gemeinwohl arbeiten?

Weil die Arbeitsgelegenheiten ein Instrument zur Förderung der Arbeitslosen sind und nicht zur Förderung der städtischen Sauberkeit. Es gibt im Gesetz eine klare Reihenfolge: An erster Stelle steht die Vermittlung, dann die Qualifizierung und erst dann Arbeitsgelegenheiten – als nachrangiges Instrument. Das ist nur für Menschen geeignet, die durch ihre Arbeitslosigkeit den normalen Regularien der Arbeitswelt entfremdet sind – wie früh aufstehen, pünktlich sein, bestimmten Belastungen gewachsen zu sein und so weiter. Im Übrigen: Wenn gesagt wird, Arbeitslose sollen etwas fürs Gemeinwohl tun, erinnere ich an den Grundgesetzartikel zur Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Wenn heute die Aktienkurse steigen, weil Arbeitsplätze vernichtet werden, wenn Betriebe aufgekauft, ausgeschlachtet und dann meistbietend verhökert werden, dann hat das mit Sozialpflichtigkeit nichts zu tun.

Vor der Einführung von Hartz haben Sie gewarnt, das Gesetz diene vor allem dazu, Noch-Arbeitnehmer unter Druck zu setzen. Hat sich das bewahrheitet?

Ja, mir sagen viele Kolleginnen und Kollegen: Du hast ja Recht, dass wir uns mehr wehren müssen gegen die Zumutungen der Arbeitgeber, aber wir haben schlicht Angst vor der Arbeitslosigkeit und dem schnellen sozialen Abstieg. Dieser Effekt ist durch Hartz tatsächlich eingetreten. Weil die Leute natürlich die Drohung spüren, die mit dem Gesetz verbunden ist. Und man muss selbstkritisch sagen, dass die Kritik an Hartz und den negativen Folgen auch zur Verängstigung beigetragen hat. Aber ich kann auch nicht die Klappe halten und sagen, alles ist in Ordnung. Dieses Gesetz muss grundlegend verändert werden.