„Eiertanz“ statt Hochzeitswalzer

Heute treffen sich die Berliner Spitzen der Linkspartei WASG und der Regierungspartei PDS zum ersten Mal offiziell. Die taz hat PDS-Senator Wolf und WASG-Vorstand Müller schon mal gefragt, ob die Zweckehe der Parteien eine Zukunft hat. Beide wussten nicht, dass auch der andere antwortet

taz: Herr Wolf, wie sehr mögen Sie die WASG, auf einer Skala von 1 bis 10?

Harald Wolf: Das ist keine Frage von mögen. Es stellt sich eher die Frage: Welche WASG?

Die, mit der Sie voraussichtlich in den Bundestagswahlkampf ziehen werden – dem Berliner Landesverband.

Wesentliche Akteure der Berliner WASG haben sich an Aktionen gegen die PDS beteiligt. Das macht die Zusammenarbeit komplizierter als in anderen Bundesländern. Sie müssen die WASG fragen, ob sie mit uns kooperieren oder gegen uns arbeiten will.

Machen wir. Die Leidenschaft für den jeweils anderen Partner reicht offenbar für Beleidigungen. Ein WASG-Bundesvorständler bezeichnete den PDS-Landeschef Stefan Liebich vor kurzem als „Idiot“.

Diese Äußerung disqualifiziert sich selbst.

Herr Liebich spricht ja auch ganz gern von der „Gurkentruppe“. Trotz allem treffen sich heute PDS-Vertreter mit den Gemüse-Freunden. Wann haben Sie zum letzten Mal mit einem WASGler gesprochen?

Das war auf einer Kundgebung gegen Gewalt gegen Frauen. Da habe ich mich kurz am Rande über die Probleme bei der gemeinsamen Namensfindung unterhalten.

Wann war das?

Vor ungefähr drei Wochen. In meiner Arbeit habe ich keine Berührungspunkte mit der Berliner WASG.

Inhaltlich haben PDS und Wahlalternative auch wenig gemein: Die Berliner WASG will Hartz IV rückgängig machen und ein „existenzsicherndes Mindesteinkommen“ einführen. Sind das linke Träumereien?

Es kommt darauf an, was derzeit realisierbar ist. Die PDS will zum Beispiel das Arbeitslosengeld II auf mindestens 420 Euro erhöhen, außerdem bessere Regelungen bei der Anrechnung von Partnereinkommen und bei der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I.

Die WASG fordert ein Programm zur Schaffung von 100.000 Jobs in Berlin. Freut das den Arbeitssenator?

Wenn mir die Kollegen einen realistischen Vorschlag machen, wie das gehen soll, sage ich: Danke. Aber bisher habe ich einen solchen Vorschlag nicht gehört.

Die WASG hat ja noch mehr Wünsche. Zum Beispiel eine Senkung der Kita-Kosten bis hin zur Kostenfreiheit. Außerdem ist sie gegen die Übertragung von Kitas auf private Träger.

Wir haben mit privaten Trägern gute Erfahrungen gemacht. Gleichzeitig werden wir einen Bestand an kommunalen Kitas behalten. Gegen einen Qualitätswettbewerb ist ja nichts einzuwenden. Und Kostenfreiheit ist natürlich wünschenswert bei einer Bildungseinrichtung. Die ersten Schritte gehen wir mit der verlässlichen Halbtagsschule und den Ganztagsschulen bereits an. Die Haushaltsnotlage hindert uns aber derzeit daran, die Kitas kostenfrei zu stellen.

Unterm Strich gibt es also eine Menge Unterschiede. Wie wird da die Zusammenarbeit im Wahlkampf in Berlin aussehen?

Das ist vor allem ein Thema für die Bundesebene. Dort werden wir uns mit der WASG auf Inhalte verständigen, auf deren Basis auch die Berliner PDS ihren Wahlkampf führen wird. Die Wahlalternative wird sich hoffentlich auch in diesem Rahmen bewegen.

Gibt es also auf Wahlplakaten auch Gesichter von PDS-PolitikerInnen neben denen von WASG-Leuten?

Das wird die Wahlkampfleitung entscheiden.

Die WASG hatte im Juni ursprünglich beschlossen, dass sie eigenständig antritt. Jetzt kooperieren sie doch. Wie soll das funktionieren?

Auf Bundesebene werden wir sicher eine Lösung finden. Aber klar ist auch: Beide Parteien werden in den 15 Tagen bis zum PDS-Bundesparteitag nicht den langen Diskussionsprozess hinter sich bringen können, für den die PDS allein 15 Jahre gebraucht hat.

SPD, PDS, Grüne und WASG übertrumpfen einander mit dem Anspruch, links zu sein. Wie definieren Sie „links“?

Links ist eine Politik, die sich auch auf die Globalisierungsverlierer konzentriert. Die soziale Gerechtigkeit nicht nur als Chancengleichheit definiert, sondern auch als Verteilungsgerechtigkeit. Links ist, zu wissen, dass eine Volkswirtschaft nicht nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben funktioniert. Links ist, sich für Bürger- und Menschenrechte einzusetzen und für die Gleichstellung von Mann und Frau. Links ist auch, gesellschaftliche Probleme nicht auf dem Rücken von Schwachen oder vermeintlichen Sündenböcken auszutragen.

Das heißt?

Das heißt beispielsweise, nicht Schwarzarbeiter oder Zuwanderer für Arbeitslosigkeit verantwortlich zu machen, sondern gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen und für Mindestlöhne zu kämpfen – und zwar unabhängig von Nationalität und Aufenthaltsstatus der Betroffenen.

INTERVIEW MATTHIAS LOHRE

taz: Herr Müller, auf einer Skala von 1 bis 10 – wie groß ist Ihre Leidenschaft für die PDS?

Dietmar Müller: So zwischendrin. Eine 5.

Eine langweilige 5? Sie haben sich in den vergangenen Wochen beschimpft!

Einer unserer Bundesvorstände hat Liebich einen „Idioten“ genannt, das ist richtig. Aber der neue Landesvorstand pflegt diesen Stil nicht. Warum es in Berlin größere Probleme mit der PDS gibt, sind die inhaltlichen Diskrepanzen.

Wann haben Sie zuletzt mit einem Berliner PDS-Vertreter persönlich geredet?

Ich habe schon noch Kontakte zu einzelnen Abgeordneten. Man kennt sich, ich war ja bis 2003 selbst in der PDS. Gegen Harald Wolf zum Beispiel habe ich persönlich überhaupt nichts, nur gegen die Politik, für die er steht.

Die PDS trägt in Berlin Hartz IV mit. Wie können Sie mit der PDS glaubwürdig Bundestagswahlkampf machen?

Das ist eine gute Frage. Solch große Probleme müssen bald besprochen werden. Wir fordern, dass die Landes-PDS ihren neoliberalen Kurs ändert. Es geht ja nicht nur darum, einen gemeinsamen Wahlantritt hinzukriegen. Auf Parteitagen und intern diskutieren wir in den nächsten Wochen auch darüber, wie es danach weitergeht. Dabei gilt: Eine Annäherung funktioniert nur, wenn sich politische Inhalte annähern.

Nochmal: In Berlin kann von dieser Annäherung keine Rede sein. Schließt das den gemeinsamen Wahlkampf nicht aus?

So einfach ist es nicht. Wir versuchen die Bundestagswahlen von der Situation hier zu trennen.

Bei allem Verständnis für Dialektik: Sie müssen im Wahlkampf mit den hiesigen Protagonisten arbeiten.

Richtig. Da müssen wir auch deutlich machen, dass wir für deren Sozialkahlschlagskurs nicht zu haben sind. Auf unserem Landesparteitag vor knapp zwei Wochen haben wir ja beschlossen, zur Abgeordnetenhauswahl 2006 mit eigenen Inhalten eigenständig anzutreten.

Sie wollen 100.000 öffentlich geförderte Jobs in Berlin, die PDS schrumpft den öffentlichen Dienst zusammen. Verleugnen Sie sich selbst?

Es wird schon ein Eiertanz. Helfen wird hoffentlich eine bundespolitische Wahlkampfplattform, in der auch gemeinsame Inhalte festgelegt sind. Da müsste die PDS natürlich Zugeständnisse machen.

Zum Beispiel?

Sie müsste sich von ihrer Politik des Bildungsabbaus verabschieden. Auch von der mehr oder weniger vehement unterstützten Privatisierungspolitik. Im Land lässt sich das gut beobachten. Die PDS hat im rot-roten Senat die Kita-Gebühren erhöht, sie hat die Wohnungsbaugesellschaft GSW verkauft, bei den Wasserbetrieben sollen garantierte Renditen gezahlt werden. Das lehnen wir vehement ab, so was steht verallgemeinert auch im Entwurf des Wahlmanifests der WASG, der Grundsatzerklärung.

Bundesplattform, das klingt wie: Im Land können wir die nicht ab, sollen sie doch vom Bund aus den hiesigen Wahlkampf mitorganisieren.

Natürlich dominieren bis zum Wahltag im September die bundespolitischen Themen. Im Land sollten wir zumindest ein pflegliches Miteinander hinkriegen.

Heute bietet sich die erste Gelegenheit. Was wird auf dem Treffen besprochen?

Es wird wahrscheinlich ein Schnuppertreffen sein. Es geht ums gegenseitige Kennenlernen und Abtasten.

Aber es ist doch höchste Zeit für inhaltliche Verhandlungen?

Wir wollen solche Verhandlungskonferenzen ja vereinbaren. Aber wir wissen noch gar nicht, ob die PDS mit uns verhandeln möchte. Da erwarten wir heute eine klare Ansage. Wir wollen gerne, keine Frage.

Wie könnte die Zusammenarbeit im anstehenden Wahlkampf aussehen?

Ein Bündnis, so es dazu kommt, kann nur gleichberechtigt funktionieren. Von Liebichs Aussage, dass WASGler gerne ab Platz 6 auf den Listen kandidieren könnten, halten wir natürlich nichts. Als Partner hätten wir Anspruch auf zwei aussichtsreiche Listenplätze. Verhandelbar wären auch Direktkandidaturen der WASG in bestimmten Wahlkreisen, zum Beispiel in Mitte, Pankow oder Friedrichshain-Kreuzberg. Liebich will etwa in Pankow antreten, er ist aber durch seine Politik belastet.

Man kann sich gemeinsame Wahlplakate überhaupt nicht vorstellen.

Na ja, einige kommen vom Bund, das ist kein Problem. Und ohne Stefan Liebich zu nahe zu treten: Die PDS wird nicht von uns verlangen können, dass wir Liebich-Plakate aufhängen. Das kriegen die aber auch selber hin.

Ihr Projekt mit der PDS heißt Linkspartei. Was ist für sie „links“?

Ganz vorne steht soziale Gerechtigkeit. Wir treten für eine radikale Beschäftigungspolitik ein. Ganz wichtig ist auch unser internationalistischer Ansatz. Dazu gehören eine solidarische Unterstützung der so genannten Dritten Welt und eine konsequente Friedenspolitik.

INTERVIEW ULRICH SCHULTE