berliner szenen: Geschenk für mein Gewissen
In der Wohnung liegen noch ein paar VHS-Kassetten rum. Das sind diese Art Plastikziegelsteine, auf denen früher Filme gespeichert wurden, bevor es DVDs gab. Lange vorm Streaming-Zeitalter. Ich räumte vor einiger Zeit auf, und mir fiel so ein Ding in die Hände mit einem Doku-Film.
Eine Karte lag dabei mit einer handschriftlichen Notiz von einem Filmverleih und mit Datum von 2005. Auf der Karte wünschte man mir „viel Spaß“ beim Angucken, „herzliche Grüße“ war zu lesen, voll nett geschrieben. Aber dort stand auch: „P.S. Wir möchten Dich herzlich um Rücksendung der VHS nach Sichtung bitten!“
Ich schrieb damals, 2005, eine Filmrezension für ein Magazin, deshalb die Kassette. Warum aber war sie jetzt noch bei mir? Hatte ich die Rückgabe-Aufforderung seinerzeit ignoriert, verschlampt, vergessen? Dabei halte ich mich für so gewissenhaft.
Deshalb dachte ich bei dieser Aufräumaktion vor einiger Zeit: Bevor ich die Kassette wegwerfe, muss ich anrufen. Beim Filmverleih. Gedacht, getan. Das Magazin gab's ja mittlerweile gar nicht mehr, aber den Filmverleih, den gab es noch.
Ich schilderte der Frau am Telefon die Sache und fragte, ob ich die Kassette wegtun kann. Die Frau lachte und sagte: „Ja, machen Sie das gerne.“ Und lachte weiter. In meiner Erinnerung ist es so, dass sie nicht mehr aufhörte zu lachen. Ich stelle mir vor, dass sie immer noch, Monate später, mit dem Hörer in der Hand auf dem Bürostuhl sitzt und sich den Bauch hält vor Lachen.
Egal, meinem Gewissen habe ich ein Geschenk gemacht, wenn ich mich nicht täusche.
Doch vor einiger Zeit habe ich noch eine VHS-Kassette gefunden. Ein anderer Doku-Film. Von einem Fernsehsender mit Datum von 2005 und einem Aufkleber: „Bitte senden Sie diese Kassette zurück.“ Giuseppe Pitronaci
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