herr tietz macht einen weiten einwurf
: JACH! JACH! JACH!

Fritz Tietz über nächtliches Arbeiten – und Athleten, die perfekt miteinander harmonieren

Da, wo ich nachts manchmal arbeiten muss, gibt’s draußen auf dem Hof eine kleine Holzbank, darauf ich, zumal in lauen Sommernächten wie diesen, gerne mal sitze und ein Öfchen schmöke. Ein angenehmer Rauchpausenort. Die Nacht sirrt, der Mond fahlt, und ganz anders als tagsüber, wenn an diesem zentralen Platz eine rundum rege und mitunter nervige Betriebsamkeit herrscht, ist hier jetzt der Geräuschpegel exakt der, den eine Sommernacht, die lauschig genannt werden möchte, haben sollte. Grillen zirpen, ein laffer Nachtwind streicht zärtlich durch die Büsche, Blätter rascheln. Das von der Tageshitze aufgeheizte und sich nachts mählich abkühlende Fachwerk des Hauses hinter mir knarzt und knistert. Hin und wieder brummelt ein spätes Auto vorbei. Nebenan halbstundenglockt mal kurz die evangelische Kirche. In der Ferne rauscht die A 1.

Umso heftiger kann einen in dieser anheimelnden Atmosphäre ein Geräusch verjagen, wie neulich mal eins sehr durchdringend die Ruhe der Nacht zerschnitt. Ein kurzer, lauter Schrei in unmittelbarer Nähe. Zweifellos der einer Frau. Da wieder. Ein markerschütternder Jammerlaut. Mein erster Gedanke: Mist, eine Frau, die brutal geschlagen wird. Mein zweiter: eine russische Tennisspielerin, die einen Ball retourniert. Erst dann begriff ich, und ein abermaliges, wiederum hingebungsvoll dargebrachtes Stöhnen brachte die endgültige Gewissheit: Hier wurde niemand und kein Racket geschlagen. Hier empfing eine ein paar kräftige Stöße und ließ sich’s wohl gefallen. „JACH! JACH! JACH!“, gellte es jetzt erneut durch die Nacht, gefolgt von einem rhythmisch gewimmerten Gurgeln, welches sich in einem furiosen Crescendo zu einem lang anhaltenden Brunstschrei entwickelte, wie er, gebe ich zu, mir bislang selten zu Ohren kam. Was für ein herrliches Geräusch.

Ein offenes Fenster im ersten Stock eines Nachbarhauses ward schnell als die Lustlärmquelle ausgemacht. Eine Zeit lang noch ging es in dem dunklen Zimmer dahinter munter und allem Hecheln, Röcheln und Japsen nach recht sportlich weiter. Dann endlich schien der Bettkampf – wenn es denn einer war und nicht möglicherweise ein auf dem Teppich, dem Küchentisch oder sonst wo ausgetragenes Match – entschieden. Nach allem, was mir in den vergangenen Minuten zu Ohren gekommen war, gab es dort mit Sicherheit zwei „sehr, sehr“ (Jürgen Klinsmann) zufriedene Sieger. Ich gratulierte den beiden unbekannten Sportsleuten still und rauchte, gleichsam als Zigarette danach, ein weiteres Rettchen, ehe ich mich erneut, jedoch um einiges aufgeräumter und beschwingter als zuvor meinen nächtlichen Verpflichtungen des Geldscheffelns bzw. Geldzusammenkratzens widmete.

Mögen sich andere in diesen hitzigen Tagen an den vergleichsweise öden Fußballspielen im zum Ereignis hoch gejazzten Konfi-Cup delektiert oder sich ihre eintönige Kost an Sport und Entspannung beim Tennisgucken, Autorennen oder Beach-Volleyball geholt haben. Mein inspirierendstes Sporterlebnis dieser Tage war dieses zufällig erlauschte Techtelmechtel einer offenkundig nach allen Regeln dieser schönsten aller Disziplinen vollzogenen Begegnung zweier bestens aufeinander eingespielten Athleten. Mehr davon!