Ovationen für den großen Führer

Pro-Milošević-Proteste in Belgrad. Parteien: NGOs schüren „antiserbische Hysterie“

BELGRAD taz ■ „Freiheit für Milošević!“, schrie Milorad Vučelić, Vizepräsident der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS). Und 2.000 Menschen im Zentrum Belgrads skandierten „Slobo, Slobo!“. Man versammelte sich zum vierten Jahrestag der Auslieferung Milošević’ an das Haager Tribunal für Kriegsverbrechen, um den „löwenhaften“ Kampf für die „Wahrheit“ des geliebten Führers im Saal des „lügenhaften“ Gerichts zu unterstützen.

Wieder auferstandene Politiker glorifizierten den „heldenhaften“ Kampf Milošević’ für das Serbentum. Dichte und Akademiker äußerten ihre Bewunderung für Milošević, der sich den finsteren Weltmächten nicht beugen wolle. Slobodan verteidige jeden serbischen Soldaten, Polizisten, Offizier und ehrlichen Bürger, so war zu hören. Diejenigen, die ihn „verfassungswidrig entführt“ und dem Tribunal übergeben hätten, sollten selbst verhaftet werden. Dann zogen die Demonstranten mit Fotos der mutmaßlichen serbisch-bosnischen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić und General Ratko Mladić durch Belgrad. Die Manifestation wäre komisch, wenn die SPS nicht die Minderheitsregierung im Parlament unterstützen würde.

Tatsächlich spaltet die Einstellung zur Vergangenheit immer mehr die Bürger und Parteien Serbiens in einen „patriotischen“ und einen „europäischen“ Block. Vergangene Woche verurteilten Parlamentarier mehrheitlich serbische NGOs, die eine Auseinandersetzung Serbiens mit den eigenen Verbrechen forderten. Die von „ausländischen Machtzentren“ finanzierten NGOs schürten eine „antiserbische Hysterie“, erklärte ein Abgeordneter der regierenden „Demokratischen Partei Serbiens“ (DSS) des national-konservativen Premiers, Vojislav Koštunica. In gleichem Ton sprachen Abgeordnete der extrem nationalistischen „Serbischen Radikalen“ Partei (SRS) und der SPS. Sie lehnten eine Resolution ab, die die Hinrichtung von über 8.000 Muslimen am 11. Juli 1995 in Srebrenica verurteilen sollte.

Angesichts des Jahrestages des Massakers in Srebrenica sprachen serbische Parlamentarier von einer „im Ausland organisierten antiserbischen Kampagne“, die „allein den Serben“ die Schuld für Kriegsverbrechen zuweise. Unterdessen gab der militärische Geheimdienst zu, dass sich General Mladić bis 2002 in seinem Haus in Belgrad aufhielt. Belgrad leugnet bisher, dass Mladić sich in Serbien aufhält.

ANDREJ IVANJI