Schröder enthält sich

AUS BERLIN JENS KÖNIG

Auch wenn niemand ganz Genaues weiß und die Verwirrung in den Reihen von Rot-Grün über das Vorgehen des Kanzlers sowie seines Helfers Franz Müntefering anhält – die Marschroute Gerhard Schröders für diesen historischen Freitag steht. Er will die Vertrauensfrage im Bundestag mit der mangelnden Handlungsfähigkeit seiner Regierung begründen. Das teilte er Agenturberichten zufolge heute seinem Kabinett mit. Außerdem hat Schröder angekündigt, sich bei der Abstimmung über seine eigene Person zu enthalten.

Nach der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen gebe es Zweifel, die restliche Legislaturperiode geregelt über die Bühne zu bringen – so soll der Kernsatz in der Begründung für die vorgezogenen Neuwahlen lauten. Das habe der Kanzler in einem vertraulichen Gespräch am Mittwoch seinen Ministern erklärt, heißt es. Statt der regulären Kabinettssitzung hatte Schröder ein so genanntes Ministergespräch anberaumt. So war die Runde auf einen kleineren, vertrauenswürdigeren Kreis beschränkt. Neben den 13 Ministern nahmen nur noch Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier sowie der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Hans Martin Bury, teil – also keine Staatssekretäre und damit auch nicht der Chef des Bundespräsidialamtes, der in regulären Kabinettssitzungen dabeisitzen darf.

Schröder gab den Berichten zufolge eine Beschreibung der Lage vor und nach der NRW-Wahl am 22. Mai ab. Dabei soll er erklärt haben, inzwischen kämen von den schärfsten Kritikern seiner Politik die innigsten Treueschwüre. Dies sei nicht glaubwürdig. In der Ministerrunde sei zudem große Besorgnis über den derzeitigen Zustand der SPD geäußert worden.

Regierungssprecher Béla Anda dementierte diese Berichte zwar umgehend und betonte, entscheidend sei die politische Bewertung Schröders, ob er von einem stetigen Vertrauen im Parlament ausgehen könne. Aber zum einen widerspricht dieser Hinweis nicht wirklich der Begründung von der „mangelnden Handlungsfähigkeit“ der Regierung, und zum anderen hat Schröder bereits in seiner Erklärung am Abend der verlorenen NRW-Wahl davon gesprochen, dass „die politische Grundlage für die Fortsetzung unserer Arbeit in Frage gestellt“ sei. Ohnehin weiß man in diesen Tagen nie, ob die gebrochene Vertraulichkeit einer als besonders vertraulich angekündigten Ministerrunde nicht Teil des permanent notwendigen Beruhigungsprozesses in den eigenen Reihen ist.

Möglicherweise sollten sich die Abgeordneten (und Medien) gestern ganz bewusst mit dieser eigentlich selbstverständlichen Kernbotschaft der Begründung beschäftigen – um nicht wieder zu rätseln, warum SPD-Chef Franz Müntefering am Montag die Idee mit der massenhaften Enthaltung der Abgeordneten ins Spiel gebracht hatte.

Am Mittwoch zeichnete sich immerhin ab, dass wohl viele SPD-Abgeordnete dieser „Einladung“ folgen werden, wenn auch längst nicht alle. Bei den Grünen wird erwartet, dass rund 80 Prozent der 55 Abgeordneten dem Kanzler bei der Abstimmung das Vertrauen aussprechen wollen. Die grünen Ministerpromis – Joschka Fischer, Renate Künast, Jürgen Trittin – machen das, was ihr Kanzler tut: Sie enthalten sich der Stimme.